Elektroauto im Dauertest: Der VW ID.3 überzeugt nach 100.000 Kilometern

Der VW ID 3 fahrend von hinten zu sehen
Im VW ID.3 ist man zügig und trotzdem entspannt unterwegs© ADAC/Ralph Wagner

Nach über 100.000 Kilometern in nur zweieinhalb Jahren steht fest: Der VW ID.3 mit großem Akku kommt selbst auf Langstrecken prima zurecht. Ein paar Schwächen leistet er sich dennoch.

  • Ordentliche Fahrleistungen, gute Reichweite

  • Schwächen bei der Bedienbarkeit

  • Nach 100.000 Kilometern: Stabiler Batteriezustand

Der VW ID.3 steht öffentlich im Fadenkreuz der Kritik. Hat er sich doch den Ruf eines Elektroautos erworben, das nicht gründlich zu Ende entwickelt und aus Kostengründen mit billigsten Innenraummaterialien auf den Markt geworfen wurde. Zentraler Schwachpunkt waren stetige Probleme im Zusammenhang mit der Software-Programmierung.

VW versprach Abhilfe. Doch das Anfang 2022 angekündigte große Software-Update für ältere ID-Modelle auf die Software-Version 3.x ließ sehr lange auf sich warten. Es wurde dann auch nicht wie angekündigt über ein Over-the-air-Software-Update flächendeckend auf die Fahrzeuge aufgespielt, sondern musste ab Mitte 2023 in der Werkstatt konventionell über das Diagnosesystem aufgespielt werden. Immerhin sind seitdem einige Verbesserungen spürbar.

Langstrecke? Mit 77-kWh-Akku kein Problem

Die Ingenieure des Technik Zentrums Landsberg, in dessen Diensten der ID.3 täglich unterwegs ist, kennen den Elektro-Flitzer aus Wolfsburger sehr genau. Haben sie doch mit ihm innerhalb von nur zweieinhalb Jahren 100.000 Kilometer abgespult. Im Privatbesitz braucht es für 100.000 Kilometer wesentlich länger.

In den Markt gestartet ist der VW ID.3 als elektrisch angetriebenes Pendant zum ewigen Bestseller VW Golf – entsprechend hoch sind allgemein die Erwartungen an das Fahrzeug. Dienstbeginn für den ID.3 beim ADAC war der 7. Mai 2021. Geordert und ausgeliefert wurde der viersitzige VW ID.3 Pro S in der Ausstattung "Tour" zum Preis von 48.550 Euro (brutto). Den Fünfsitzer gab es zum Bestellzeitpunkt noch nicht.

Der Dauertest-Testkandidat ist 4,26 Meter lang und beachtliche 1,9 Tonnen schwer, bietet 150 kW (204 PS) Leistung sowie 310 Nm Drehmoment. Sein 77 kWh großer Akku – der größte im Angebot – erzielt eine WLTP-Reichweite von 525 Kilometern. Einen so großen Akku zu verbauen, funktioniert nur, weil der ID.3 das erste Elektrofahrzeug aus Wolfsburg ist, das nicht auf einer Verbrenner-Plattform steht, sondern komplett als BEV (Battery Electric Vehicle) entwickelt wurde. Im bis 2020 verkauften Golf mit Elektroantrieb war nur Platz für einen maximal 36 kWh großen Akku.

VW ID.3: Macht Freude beim Fahren

Der VW ID 3 fahrend von vorne zu sehen
400 Kilometer Reichweite sind auch bei flotter Fahrt kein Problem mit dem ID.3© ADAC/Ralph Wagner

Den Einschätzungen der ADAC Ingenieure zufolge hat sich der VW ID.3 nach zweieinhalb Jahren im Alltag bewährt, in vielen Bereichen sogar außerordentlich gut. Die sichere Straßenlage, die bequemen Sitze und die ordentlichen Fahrleistungen sorgen dafür, dass der ID.3 gerne auch für längere Strecken gebucht wird.

Zum entspannten Reisen tragen der adaptive Tempomat inklusive Fahrspurzentrierung ("Travel Assist"), das hervorragende Matrix-LED-Licht und die großzügigen Platzverhältnisse im Innenraum bei. Im innerstädtischen Verkehr und beim Parken sind viele Nutzer vom erstaunlich kleinen Wendekreis des VW begeistert.

In Kombination mit dem dynamischen Heckantrieb ist der ID.3 sehr spritzig unterwegs. Das Fahren bereitet sehr viel Freude. Der Spurt von 0 auf 100 km/h ist in 7,9 Sekunden erledigt, die abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h selten zu wenig. Wer sich bei Tempo und Beschleunigung zurückhält, schafft mit dem VW ID.3 auf der Autobahn um die 400 Kilometer Reichweite, bei Minustemperaturen sollte man sich auf in der Regel erzielbare 300 bis 320 Kilometer einstellen.

Aber selbst bei Außentemperaturen von minus 9 Grad war eine 400 Kilometer lange Tour vom Voralpenland auf den Rettenbachgletscher bei Sölden (Tirol) bis auf knapp 2700 Meter Höhe und wieder zurück möglich – und das mit nur einer Batterieladung. Zurück ging es ja auch viel bergab.

Verbrauch: Je nach Einsatz sehr unterschiedlich

Die Verbrauchsmessung auf dem Prüfstand nach dem ADAC Ecotest-Zyklus ergab zu Beginn 20,0 kWh, bei Kilometerstand 100.000 noch 19,3 kWh pro 100 Kilometer inklusive der Ladeverluste. Die Ursache für den niedrigeren Verbrauch liegt in einer neuen Softwareversion, welche die Batterietemperierung effizienter steuert als beim ursprünglichen Stand. Der rechnerische Verbrauch über die gesamte Testdauer lag bei 23 kWh inklusive der Ladeverluste.

Der Durchschnittsverbrauch im Alltag ist höher als auf dem Prüfstand, was aber normal und dadurch erklärbar ist, dass in der kälteren Jahreszeit deutlich mehr Strom verbraucht wird. Zudem hat das Fahrzeug im Dauertest einen höheren Anteil an Autobahnfahrten, als im Prüfstandzyklus vorgesehen. Im Alltag sahen die Nutzer laut Bordcomputer (ohne Ladeverluste) sehr unterschiedliche Verbrauchswerte: Sie reichten von ca. 13 kWh pro 100 Kilometer bei milden Temperaturen und viel Stadt- und Überlandfahrten bis hin zu 25 und 30 kWh bei Fahrten im Winter oder bei hohem Autobahnanteil.

Ladestopps von 30 Minuten genügen

Der VW ID 3 wird an einer Ladestation geladen
Tester Matthias Vogt am High-Power-Charger: Nach Software-Update mit mehr Ladeleistung© ADAC/Ralph Wagner

Bei der Beurteilung der Ladeleistung muss man unterscheiden zwischen der Zeit vor und nach dem Software-Update. Vor dem Update nahm der Akku des ID.3 an der DC-Schnellladesäule den Strom anfangs mit etwa 125 Kilowatt auf. Erst wenn der Akku halb voll ist, reduzierte sich die Ladeleistung auf unter 100 kW.

Nach dem Update hat sich die Ladeleistung sogar noch verbessert: Die maximale Ladeleistung stieg zwischen 10 und 30 Prozent an und erreicht nun Spitzenwerte von über 160 kW, was sich auch so in der Ladekurve zeigt. Die erhöhte Ladeleistung führt bei der Ladedauer von 10 bis 80 Prozent Batterieladestand zu einer Zeitersparnis von etwa zwei Minuten.

Damit ist der ID.3 Pro durchaus langstreckentauglich. Doch im Winter muss man spürbar mehr Zeit für die Ladestopps einplanen: Die maximale Ladeleistung erreicht der ID.3 bei kalten Temperaturen in der Regel nicht. Um bessere Ladeleistungen bei Kälte zu erzielen, böte sich eine manuelle Aktivierung der Batterieheizung an, doch die hat der ID.3 nicht.

Es ist bei einem späteren Software-Update geplant, dass der Akku bei verwendeter Navigation und eingeplanten Ladestopps automatisch vorgewärmt wird, um dann beim Laden eine möglichst hohe Ladeleistung erreichen zu können. Mit der neuen Software gibt es nun endlich die permanente Anzeige des prozentualen Batterieladestandes im Display hinter dem Lenkrad. Und auch der Bordcomputer mit den Verbräuchen und Fahrdaten ist dort nun stets einsehbar.

Nach dem Software-Update zeigen die Stromverbrauchsmessungen bei 0 Grad ebenfalls eine deutliche Verbesserung: Durch die geänderte Heizstrategie wird die Batterie nicht mehr so stark geheizt. Das macht sich im Alltag besonders bei kurzen Fahrten und winterlichen Temperaturen von etwa 0 bis 5 Grad durch einen geringeren Stromverbrauch bemerkbar.

Problemfelder: Software und Bedienung

Das Cockpit des VW ID 3
Cockpit des ID.3: aufgeräumt, in Teilen aber schlecht bedienbar© ADAC/Ralph Wagner

Unisono wird von den Ingenieuren Kritik an der Materialanmutung sowie an den sogenannten Slidern für die Temperaturverstellung und die Lautstärke (unter dem Zentraldisplay) geübt. Begründung: Die gewünschte Einstellung lässt sich nicht fein justieren, und nachts findet man die Slider kaum, weil sie unbeleuchtet sind. Als noch deutlich unpraktikabler erweist sich die Touchbedienung am Lenkrad. Die Tasten sind zwar schick anzusehen, aber gefühllos und schwer bedienbar. Fehlbedienungen sind keine Seltenheit.

Unzufriedenheit macht sich auch mit dem langsamen Infotainmentsystem breit. So dauert es bei Fahrtbeginn sehr lang, bis das System überhaupt gestartet ist. Als nervig im Alltag erweist sich, dass seit dem Software-Update bei jedem Start der Nutzer bestätigt werden muss. Laut VW eine Anforderung aus Datenschutzgründen. Und bei der Bedienung gibt es immer wieder eine "Gedenksekunde", bis Fingereingaben über den Touchscreen vom System verarbeitet werden.

Konnektivität: Verbesserungswürdig

Handy Screenshots der Bedienung des VW ID 3
Funktionen/Anzeigen der VW Connect App© Volkswagen

Zur Serienausstattung des ID.3 gehört selbstverständlich eine Bluetooth-Schnittstelle, über die telefoniert und Musik gehört werden kann. Außerdem stehen Apple Carplay und Android Auto zur Verfügung, um Smartphone-Inhalte auf den großen Bildschirm im Auto zu übertragen. Allerdings nervt Apple Carplay dadurch, dass sich die Benutzeroberflächen häufig in den Vordergrund drängen, auch wenn man die Systeme aktuell gar nicht nutzen will.

Eine Besonderheit ist die VW Connect App, mit der beispielsweise eine Abfahrzeit eingeplant und der Innenraum vorklimatisiert werden kann. Zudem lassen sich der maximale Ladestrom sowie der maximale Ladestand (SoC) festlegen und verschiedene Ladeorte mit jeweils verschiedenen Ladestrategien bestimmen.

Im Gegensatz zur App für den VW e-Up! werden von der App des ID.3 keinerlei Fahrdaten gespeichert, auf die man zurückgreifen könnte.

Bildergalerie: ID.3 im Dauertest

Positive Bilanz nach 100.000 Kilometern

Trotz all der Kritikpunkte fällt das Fazit nach 100.000 Kilometern insgesamt positiv aus: Abseits der Bedienprobleme kommen die Tester im Alltag mit dem ID.3 gut zurecht. Nicht nur die Batterie- und Ladetechnik, sondern auch die klassischen Automobiltugenden (Fahrwerk, Lenkung, Sitze) verhelfen dem VW dazu, gerne gefahren zu werden. Er bietet angenehme Platzverhältnisse für vier Personen und einen ausreichend großen Kofferraum. Auf langen Strecken sorgen das ausgewogene Fahrwerk und die guten Sitze für Wohlfühlatmosphäre. Im Stadtbetrieb begeistern der spritzige Antrieb und der winzige Wendekreis.

Im privaten Alltag kann es relevant sein, dass für den ID.3 weder eine Dachlast noch eine Anhängelast eingetragen ist. Eine Dachbox für den Skiurlaub oder ein Anhänger für den Grünabfall sind also nicht zulässig. Das ist ein deutlicher Nachteil im Vergleich zu einem Golf.

Wenig Reparaturen, nur eine Wartung

Während bei einem herkömmlichen Fahrzeug mit Verbrennungsmotor nach 100.000 Kilometern schon wenigstens drei Inspektionen (Ölwechsel etc.) fällig gewesen wären, ist eine Wartung für den VW ID.3 nur alle zwei Jahre erforderlich, unabhängig von der Laufleistung. So hatte der ADAC Dauerläufer bereits 74.271 Kilometer auf dem Tacho, als er zur ersten Wartung kam.

Die Wartungskosten waren für die recht überschaubaren Arbeiten mit ca. 500 Euro jedoch nicht gerade günstig. Diesbezüglich ist es sinnvoll, mehrere Kostenvoranschläge einzuholen und zu vergleichen, denn es gibt teils große Unterschiede bei den Stundensätzen und Pauschalen zwischen den Werkstätten.

Das heißt aber nicht, dass der ID.3 Dauertest bisher noch gar nicht in der Werkstatt gewesen wäre. So ist zum Beispiel bei Kilometerstand 23.495 eine gerissene Windschutzscheibe zu beklagen. Ursache: vermutlich Steinschlag – ein Versicherungsschaden.

Bei etwa 55.000 Kilometern war beim Lastwechsel im Rangierbetrieb hinten rechts ein Klacken zu hören, das auf eine defekte Antriebswelle zurückgeführt wurde. Das Problem ist bei VW nicht unbekannt. Die Antriebswelle wurde im Rahmen der Garantie bei einem VW-Vertragspartner instandgesetzt. Allerdings waren dafür zwei Reparaturanläufe notwendig. Nachdem es lange ruhig war, kam das Klacken nun kurz vor den 100.000 Kilometern wieder.

Guter Gesundheitszustand des Akkus

Und wie steht es um die Robustheit des kostbaren Akkus? Zur Ermittlung der Batteriealterung wurde das Fahrzeug während des Dauertests wiederholt unabhängigen Batteriechecks auf dem Prüstand und der Straße unterzogen. Der ermittelte Gesundheitszustand "State of Health" (SoH) der Antriebsbatterie betrug nach 100.00 Kilometern noch knapp über 93 Prozent, bleibt also völlig im Rahmen des Erwartbaren und kann der Laufleistung entsprechend als normal und unbedenklich eingestuft werden. Dieser Wert liegt weit oberhalb der 74 Prozent, die VW im Rahmen seiner Neuwagengarantie bei 100.000 Kilometern verspricht.

Zusätzlich wurde zur herstellerunabhängigen Ermittlung des Gesundheitszustands über die Laufzeit mehrmals auch der Batterietest von Aviloo durchgeführt. Dieser Aviloo-Test ergab bei 102.500 Kilometern eine noch nutzbare Akkukapazität von 93 Prozent. Das Ergebnis deckt sich also genau mit den Messungen am Prüfstand.

Unterschiede zwischen einer Aviloo-Messung im Vergleich zur Herstellerangabe beim Energieinhalt sind übrigens auf drei Effekte zurückzuführen:

Aviloo geht bei seinen Messungen mit 74 kWh von einem etwas geringeren nutzbaren Energieinhalt im Neuzustand aus als VW (77 kWh). Diese Differenz ist die Notlaufreserve, welche unter null Prozent Batteriestand (laut Bordcomputer) noch wenige Kilometer beinhaltet, um einen Ladesäule erreichen zu können. Diese Reserve ist in den Herstellerangaben jedoch enthalten.

Der zweite Effekt ist die Alterung der Batterie, wodurch über die Zeit die nutzbare Energiemenge abnimmt. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass der Akku beim ADAC nicht geschont wird und häufig wieder auf 100 Prozent aufgeladen wird, um dem nächsten Nutzer die volle Reichweite von bis zu 400 Kilometern zu ermöglichen. Der Anteil an Schnellladungen beträgt 37 immerhin Prozent.

Und der dritte Effekt ist in den elektrochemischen Eigenschaften einer Batterie begründet. Zur Ermittlung des nutzbaren Energieinhalts einer Batterie wird ein kontinuierlicher Entladeprozess durchgeführt. Doch im normalen Alltag eines Elektroautos (und auch während des Aviloo-Checks) wird die Batterie beim Fahren entladen und bei der Rekuperation zwischendurch auch immer wieder aufgeladen.

Dadurch entstehen jedes Mal minimale Lade- und Entladeverluste, die sich aufsummieren und am Ende je nach Fahrszenario und Fahrverhalten eine gewisse Differenz zwischen der Herstellerangabe zum Energieinhalt und im Fahrbetrieb gemessener Energieinhalt ergeben kann.

Das nächste Ziel für den ID.3 Dauertest sind nun die 160.000 Kilometer, bei der die Herstellergarantie auf die Batterie erlischt und das Risiko eines potenziellen Akkudefektes auf den Kunden übergeht. Nach heutigem Stand gibt es beim ID.3 des ADAC keine Anzeichen, dass die Batterie vorschnell altern könnte.

VW ID.3: Technische Daten

Technische Daten (Herstellerangaben)

VW ID.3 Pro S (4-Sitzer) (09/20 - 05/21)

Motorart

Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

150

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

204

Drehmoment (Systemleistung)

310 Nm

Antriebsart

Hinterrad

Beschleunigung 0-100km/h

7,9 s

Höchstgeschwindigkeit

160 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

525 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

16,7 kWh/100 km

Batteriekapazität (Brutto) in kWh

82,0

Batteriekapazität (Netto) in kWh

77,0

Ladeleistung (kW)

AC:11,0 DC:125,0

Kofferraumvolumen normal

385 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

1.267 l

Leergewicht (EU)

1.934 kg

Zuladung

346 kg

Garantie (Fahrzeug)

2 Jahre

Länge x Breite x Höhe

4.261 mm x 1.809 mm x 1.568 mm

Grundpreis

41.995 Euro

Bericht und fachliche Beratung: Max Bauer, Matthias Vogt, beide ADAC Technik Zentrum