Economic Briefing

Ifo – Stimmung noch schlechter als gedacht

Veröffentlichungsdatum: 25/3/2020 10:45 CET

Lesezeit:  

Auf den ersten Blick ist das Ifo-Geschäftsklima für März nach Berücksichtigung aller Antworten kaum stärker eingebrochen (86,1 statt 87,7) als am vorherigen Donnerstag gemeldet. Aber nach unseren Berechnungen ist die Stimmung der Unternehmen, die seit Veröffentlichung der vorläufigen Zahlen geantwortet haben, viel stärker gefallen. Ein scharfer Einbruch der Wirtschaft im zweiten Quartal scheint unausweichlich. Zudem ist es nicht sicher, ob die Zahl der Neuinfektionen bis zur Jahresmitte ausreichend gefallen ist, um die Beschränkungen für die Wirtschaft dann wieder aufheben zu können. In diesem Risikoszenario würde der Konjunkturverlauf nicht einem V, sondern zunächst einem L ähneln, was sicher Diskussionen über die angemessene Strategie im Kampf gegen Corona auslösen würde.

Einbruch ausgeprägter als zunächst gemeldet, ...

Am Donnerstag vergangener Woche hatte das Ifo-Institut auf Basis der bis dahin eingegangenen Umfrageantworten für März ein vorläufiges Geschäftsklima in Höhe von 87,7 gemeldet, was im Vergleich zum Februar (96,0) ein gewaltiger Einbruch war. Nach Auswertung der danach eingegangen Antworten liegt das Geschäftsklima im März mit 86,1 nicht wesentlich niedriger. Aber seit Donnerstag sind nur noch 10% der Antworten beim Ifo-Institut angekommen. Aus diesen Angaben sowie aus den vorläufigen und endgültigen Geschäftsklima-Werten lässt sich berechnen, dass das Geschäftsklima bei den nachmeldenden Unternehmen nur bei rund 72 Punkten lag. Offenbar hat sich die Stimmung bei den Unternehmen seit Donnerstag weiter massiv verschlechtert.

Die endgültigen Zahlen zeigen, dass die Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate (79,7 nach 93,1 im Februar) viel stärker gefallen sind als die aktuelle Geschäftslage (93,0 nach 99,0 im Februar). Das Geschäftsklima ist mit Ausnahme des relativ stabilen Baugewerbes in allen Branchen stark gesunken – vor allem im Handel.

... und schlimmer als nach der Lehman-Pleite

Alles in allem ist der Einbruch des Geschäftsklimas ausgeprägter als nach der Lehman-Pleite im September 2008 (Grafik), die der Auftakt für die schwere Rezession des Jahres 2009 war.

Der Einbruch des Ifo-Geschäftsklimas bestätigt das, was jedem in der Wirtschaft klar ist: Das Bruttoinlandsprodukt wird im zweiten Quartal grottenschlecht ausfallen. Der weitgehende Stillstand von Hotels, Restaurants, Einzelhandel und Luftverkehr sowie der Produktionsstopp in der Autoindustrie und die Probleme in anderen Branchen könnten das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal gegenüber dem ersten um 7½% einbrechen lassen.

Wirklich ein V?

Einige Schätzungen sehen sogar einen noch stärkeren Einbruch, da sie die Ausfälle in einzelnen Branchen noch höher ansetzen oder einen noch längeren Stillstand annehmen. All dies lässt sich derzeit kaum abschätzen. Entscheidend wird aber sein, wie es danach weitergehen wird. Wie die meisten Volkswirte nehmen auch wir an, dass die Zahl der Neuinfektionen bis zur Jahresmitte so weit gesunken ist, dass die Beschränkungen danach schrittweise aufgehoben werden und die Unternehmen ihre Produktion wie in China wieder hochfahren können.

Alle in der Wirtschaft wünschen sich ein solches V-Szenario. Aber ich höre auch Zweifel, weil eine liberale Demokratie natürlich nicht so drakonische Maßnahmen gegen das Virus ergreifen kann wie autoritärer geprägte asiatische Gesellschaften. Daher sehen einige das Risiko, dass die Zahl der Neuinfektionen in Europa zu langsam sinken könnte, um das soziale und wirtschaftliche Leben spätestens gegen Ende des zweiten Quartals wieder hochfahren zu lassen. In diesem Risikoszenario würde der wirtschaftliche Schaden trotz der umfangreichen staatlichen Hilfen massiv ansteigen. Dann würden wir vermutlich eine Diskussion bekommen über eine Änderung der gegenwärtigen Strategie im Kampf gegen Corona. Unter Wissenschaftlern wird diskutiert, sich im Fall der Fälle auf den Schutz alter Menschen und chronisch Kranker zu konzentrieren, um einen Kollaps der Wirtschaft zu vermeiden, unter dem am Ende auch das Gesundheitssystem früher oder später leiden würde.

Ifo: Stimmung zuletzt noch viel schlechter
Ifo-Geschäftsklima für Deutschland, Index 2015=100
Source: Bloomberg, Global Insight, Commerzbank Research
 

Autor

Dr. Jörg Krämer

Chefvolkswirt

AM HÄUFIGSTEN GELESEN

ZULETZT VERÖFFENTLICHT