Im Forschungslabor: Heller CO2-negativer Beton mit Magnesium-basierten Bindemittel.  Foto: Empa

Forschung 11. Mai 2021 Emissionsarmer Zement?

Beton ist ein weltweit massenhaft eingesetzter Baustoff. Das darin enthaltende Bindemittel trägt aber leider auch erheblich zu einem weltweiten Problem bei: Die Zementproduktion verursacht nämlich rund 7 % der globalen CO 2 -Emissionen. Die Branche versucht daher zunehmend Zementsorten einzusetzen, die weniger Treibhausgase verursachen. Darüber hinaus wird auch an komplett zementfreien Betonen gearbeitet, die sogar mehr CO 2 binden als sie verursachen.

Nach Angaben der Schweizer Forschungsorganisation Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) werden weltweit jedes Jahr rund zwölf Kubikkilometer Beton produziert (Stand: 2020). Und die Tendenz ist stark steigend. Für die massenhafte Herstellung des flexiblen Kunststeins benötigt man neben großen Mengen an Gesteinskörnungen und Wasser vor allem sehr viel Zement .

Treibhausgase durch Brennprozesse

Das Zementpulver des klassischen Portlandzements wiederum besteht größtenteils aus Ton und Kalk (Calciumcarbonat = CaCO 3 ). Für seine Herstellung muss man die steinernen Rohstoffe fast bis zur Sinterung erhitzen. Dabei entstehen steinartige Kügelchen, die so genannten Zement-Klinker, die anschließend zu Pulver gemahlen werden. Problem: Beim Brennprozess entweichen große Mengen CO 2 .

Wird eine Tonne Zement hergestellt, steigen rund 700 kg Kohlendioxid in die Atmosphäre. Diese Zahl nennt die Empa auf ihrer Website. Die Zementindustrie verursache auf diese Weise rund 7 % der weltweiten CO 2 -Emissionen. Bei der Forschungsorganisation arbeitet man daher an alternativen Zementarten für einen künftigen „Öko-Beton“. Ziel ist ein Bindemittel , das deutlich weniger CO 2 -Emissionen verursacht. Ein Ansatz: die Entwicklung von Zementen, bei deren Herstellung eine geringere Brenntemperatur benötigt wird.

CSA-Zement

Wissenschaftler Alexander German forscht an Komponenten für CO2-negativem Beton. Foto: Empa

„Traditionell wird Zement im Drehrohr-Ofen bei rund 1.450 °C gebrannt“, sagt Empa-Forscher Frank Winnefeld von der Abteilung Concrete & Asphalt. Eine bereits seit längerem existierende Alternative, die in China entwickelt wurde, ist der so genannte CSA-Zement. Dabei handelt es sich chemisch betrachtet um Calciumsulfoaluminat (C 4 A 3 S-). 2019 erhielt das Produkt „ Next base “ des Zementherstellers Dyckerhoff als erster in Europa hergestellter Calciumsulfoaluminat-Zement die CE-Kennzeichnung .

CSA-Zement wird aus den Rohstoffen Kalkstein, Bauxit und Gips hergestellt. Auch für dieses Bindemittel müssen die Rohstoffe gebrannt werden, allerdings bei Temperaturen, die um 200 °C niedriger liegen als bei herkömmlichem Zement auf Ton/Kalk-Basis. Pro Tonne „Zement“ reduziert sich daher laut Empa der CO 2 -Ausstoss um rund 200 kg. Statt 700 kg sind es also nur noch etwa 500 kg pro Tonne – das wäre zumindest eine deutliche Reduktion.

Wie die Empa auf ihrer Website weiterhin mitteilt, hängen die deutlich geringeren Treibhausgasemissionen bei CSA-Zement aber nicht nur mit der niedrigeren Brenntemperatur zusammen, sondern auch mit der geringeren Menge an Kalkstein in der Rohstoffmischung. Der Kalkstein nämlich ist es, der durch seine chemischen Reaktionen während der Zementherstellung für einen Großteil der CO 2 -Emissionen verantwortlich ist. CSA-Zement hat übrigens noch einen anderen großen Vorteil: Er härtet sehr schnell aus und zeichnet sich dabei durch ein geringes Schwindverhalten aus.

Sekundärrohstoffe als Zementersatz

Was den Anteil an Kalkstein im Zementklinker verringert, trägt also zur Verringerung des schädlichen Klimagases bei. Das gilt zum Beispiel auch für Aschen und Schlacken aus der Kohle- und Metallindustrie, die schon seit vielen Jahren als Zuschlagstoffe bei der Betonherstellung zum Einsatz kommen. Da sie ähnlich wie Zement über hydraulische Eigenschaften verfügen – also bei Wasserzugabe erhärten und dann dauerhaft wasserunlöslich bleiben – sind sie geeignet, Zement zu ersetzen.

Gerade bei der Verwertung derartiger Sekundärrohstoffe – also von Rohstoffen, die durch Recycling von „Abfallprodukten“ gewonnen werden – sehen die Empa-Forschenden noch viel Potenzial – auch in anderen Industrien. „Bei der metallurgischen Rückgewinnung von Edelmetallen aus Elektronikschrott bleibt eine hochwertige Schlacke übrig, die in Pulverform ebenfalls mit Zement vermischt werden kann“, erklärt Frank Winnefeld. Möglich sei es darüber hinaus, so der Forscher, mineralische Bauabfälle für Mischzement zu verwenden.

Wir halten fest: Die CO 2 -Emissionen bei der Zementproduktion lassen sich senken, wenn der Kalksteingehalt des Bindemittels verringert wird und/oder Rezepturen zum Einsatz kommen, die eine geringere Brenntemperatur erfordern. Die Empa verweist aber auch noch auf eine radikalere Methode zur Treibhausgasreduzierung: Zement, der gar nicht mehr gebrannt werden muss. Beim so genannten alkali-aktivierten Zement würden die Bestandteile wie Schlacke, Asche oder calcinierter Ton durch starke alkalische Lösungen wie etwa Natriumsilikate zur erwünschten chemischen Reaktion animiert – so die Forschenden. Die Produkte dieser Reaktion ergäben ein Material, dass genauso druckfest sei wie herkömmlicher, gebrannter Zement.

CO 2 -negativer Beton

Im Beton-Labor werden die Zutaten für Öko-Zement gemischt. Foto: Empa

Die Empa forscht darüber hinaus auch an CO 2 -negativem Beton. Hier beschäftigt man sich insbesondere mit Beton, dessen Bindemittel Magnesiumsilikat enthält. Die Empa beschreibt das Verfahren auf ihrer Website wie folgt: Bei der Zementherstellung werde dem rohen Magnesiumsilikat Kohlendioxid zugeführt. Da aber in einem weiteren Verarbeitungsschritt nur ein Teil des Materials gebrannt werde, entstehe beim Brennen des Zements weniger CO 2 als vorher im Bindemittel gebunden wurde. Auf diese Weise könne die Zementherstellung in Summe sogar zur Reduzierung von CO 2 -Emissionen genutzt werden. Als Rohstoff für diesen CO 2 -negativen Beton könnte laut Empa magnesiumhaltiges Olivin dienen. Dieses Mineral komme zum Beispiel in Skandinavien infolge von Vulkanaktivitäten an der Erdoberfläche vor und ließe sich abbauen.

An einem Beton, der mehr CO 2 bindet als er bei der Produktion erzeugt, arbeitet auch das Startup Carbicrete . Die Kanadier ersetzen Zement komplett durch gemahlene Schlacke aus der Stahlherstellung, fügen die üblichen Gesteinskörnungen hinzu und gießen ihren zementfreien Frischbeton in spezielle Schalungen , wo sie ihn dann mithilfe von Kohlendioxid extrem schnell aushärten. Produziert werden auf diese Weise Hohlblocksteine (CMUs = Concrete Masonry Units). Bisher gibt es diese Produkte zwar noch nicht zu kaufen, Projektversuche für eine Serienfertigung sind aber bereits angelaufen.

CO 2 -Bad für Betonsteine

Der Fokus des kanadischen Startups liegt nicht auf der Herstellung großer Betonfertigteile und auch nicht auf der Entwicklung von Zementpulver-Sackware zum Mischen von Frischbeton auf der Baustelle. Stattdessen hat man sich auf die Entwicklung von Betonmauerwerksteinen spezialisiert. Diese Spezialisierung macht Sinn, wenn man an den eigentlichen Clou des Carbicrete-Verfahrens denkt: Die extrem schnelle Aushärtung erfolgt mithilfe von Kohlendioxid. Der Frischbeton wird in speziellen Kammern regelrecht in CO 2 „gebadet“ und soll dadurch innerhalb eines Tages komplett abbinden. Das funktioniert natürlich nur mit der entsprechenden Produktionstechnik im Werk.

Die Kohlendioxid-Behandlung sorgt nicht nur für eine schnelle Aushärtung, sondern führt eben auch zur dauerhaften CO 2 -Bindung im Beton. Deshalb kann Carbicrete von einem „karbon-negativen“ Beton sprechen. Er speichert mehr CO 2 als durch seine Herstellung entsteht. Nach Angaben des Herstellers ist er zudem 30 % härter als zementbasierter Beton. Carbicrete bezeichnet seine Entwicklung als „zement-freien, karbon-negativen Beton“, für dessen Herstellung als Rohstoffe „mineralische Abfälle“ und CO 2 zum Einsatz kämen. Bei dem mineralischen Abfall handelt es sich um die gemahlene Stahlschlacke.

Warum mineralisch? Weil die in der Eisen- und Stahlindustrie als Nebenprodukt anfallenden Schlacken im Wesentlichen aus geschmolzenem Gestein bestehen. So entsteht etwa Hochofenschlacke bei der Roheisenherstellung im Hochofen, weil dort Eisenerz – also eisenhaltiges Gestein – geschmolzen wird, um das darin enthaltene Metall zu isolieren. Hochofen- oder auch Stahlschlacke besteht also nicht aus Metall, sondern im Gegenteil aus den nichtmetallenen, mineralischen Erzbestandteilen.

Über den Autor Roland Grimm ist seit Februar 2013 freier Journalist mit Sitz in Essen und schreibt regelmäßig Fachwissen-Artikel für BaustoffWissen . Zuvor war er rund sechs Jahre Fachredakteur beim Branchenmagazin BaustoffMarkt und außerdem verantwortlicher Redakteur sowie ab 2010 Chefredakteur der Fachzeitschrift baustoffpraxis . Kontakt: freierjournalist@rolandgrimm.com

zuletzt editiert am 31.10.2023