Studie beleuchtet Auswirkung der Digitalisierung auf Gesundheit der Beschäftigten

Die Digitalisierung der Arbeitswelt und mobiles Arbeiten werden auch nach Corona voranschreiten. Deshalb sollten Betriebe umso mehr die Voraussetzungen für gesunde und zufriedene Mitarbeitende schaffen. Dies geht aus den Ergebnissen der Studie social health@work der BARMER und der Universität St. Gallen hervor.

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt nachhaltig verändert. Die Unternehmen müssen tiefgreifende Veränderungen vor allem bei der Digitalisierung der Arbeitswelt bewältigen, die sowohl Chancen als auch Risiken beinhalten. Eine besondere Rolle spielt dabei die Frage, wie sich diese Veränderungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten auswirken. Die BARMER untersucht gemeinsam mit der Universität St. Gallen in der Langzeitstudie social health@work, wie eine moderne und gesundheitsfördernde Arbeitswelt angesichts der zahlreichen Herausforderungen gestaltet werden kann. Dabei steht die soziale Gesundheit, im Englischen „Social Health“, im Vordergrund der Analyse. Dieser Aspekt ist bislang noch wenig erforscht. Ein Ergebnis der Studie ist, dass das Gesundheitsempfinden von Mitarbeitenden über die Zeit steigt, je enger sie in ihr Arbeitsteam eingebunden sind. Sie zeigt somit erstmals, wie bedeutsam es für die Gesundheit von allen Beschäftigten ist, sich nicht abgekoppelt, sondern zugehörig zum Team zu fühlen. Als große Krankenkasse, die Unternehmen im Rahmen eines professionellen betrieblichen Gesundheitsmanagements mit Angeboten für gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen unterstützt, weiß die BARMER, dass in einer flexiblen, digitalen Arbeitswelt insbesondere auf den sozialen und persönlichen Austausch sowie auf die Vernetzung der Beschäftigten geachtet werden muss. Es geht also vor allem darum, neben der physischen und mentalen Gesundheitsförderung die sozialen Beziehungen und gesundes Verhalten zu fördern. Am Ende können Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen davon profitieren.

Langzeitbetrachtung über dreieinhalb Jahre

Zum Konzept der Studie gehört, dass mehr als 8.000 Erwerbstätige halbjährlich in insgesamt acht Wellen über dreieinhalb Jahre an einer Befragung teilnehmen. Es ist die erste Langzeiterhebung ihrer Art. Sie betrachtet die Auswirkungen von Flexibilisierung und Digitalisierung auf die Arbeitswelt und analysiert dabei das soziale Wohlbefinden der Beschäftigten. Die aktuelle Auswertung basiert auf den Ergebnissen der im Sommer 2021 abgeschlossenen dritten Befragung. Neben diesen Ergebnissen fließen die Ergebnisse der zuvor durchgeführten Befragungen aus der ersten Welle im Juli 2020 und der zweiten Welle im Januar und Februar 2021 mit ein. Die Studie umfasst aktuell somit einen 18-monatigen Betrachtungszeitraum. Allein in dieser Zeit ist der Anteil der mobil arbeitenden Beschäftigten von rund 56 Prozent auf etwa 59 Prozent gestiegen. Da es sich bei der Studie um eine Panelbefragung handelt, werden dieselben Teilnehmenden über mehrere Jahre hinweg befragt. Dadurch ist es möglich, Entwicklungen über die Zeit zu verfolgen und Veränderungen bei den Beschäftigten sowie in den Unternehmen zu analysieren.

Gesundheit der Beschäftigten und Produktivität stärken

Bereits die aktuell vorliegende dritte Befragung gibt wichtige Hinweise darauf, an welchen Stellen Unternehmen ansetzen können, um die Gesundheit der Beschäftigten und damit gleichzeitig deren Produktivität nachhaltig zu stärken. Firmen, die die richtigen Maßnahmen ergreifen, bietet die Digitalisierung somit enorme Chancen und Potenziale. Dabei spielt das soziale Wohlbefinden im Arbeitskontext eine zentrale Rolle. Die Studie untersucht deshalb, wie gesunde Verhaltensweisen und Arbeitsbeziehungen entwickelt und genutzt werden können, um das Spannungsfeld von Erreichbarkeit und Abgrenzung, Autonomie und Eingebundenheit sowie Produktivität und Erholung erfolgreich zu gestalten. Hierbei nimmt sie drei Ebenen in den Blick und gibt Empfehlungen auf der individuellen Ebene, der Unternehmensebene sowie der Teamebene.

Die individuelle Ebene

Ein Großteil der mobil arbeitenden Beschäftigten erledigt die Arbeit der Studie zufolge von zu Hause aus. Deshalb ist es besonders wichtig, dass hier die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehört beispielsweise die bewusste räumliche Trennung von Arbeits- und Privatbereich. Die Studie untersucht, ob mobil Arbeitende durch ein aktives Grenzmanagement in örtlicher, zeitlicher und kommunikativer Hinsicht ihr Wohlbefinden steigern können. Sie kann hier erstmals den Nachweis führen, dass durch ein solches Verhalten tatsächlich die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten über die Zeit hinweg steigt. Ein entsprechendes Grenzmanagement kann daher allen empfohlen werden.

Räumliche Trennung im Homeoffice gelingt Frauen seltener

Bei der Umsetzung eines effektiven Grenzmanagements scheinen Männer mehr Möglichkeiten zu haben beziehungsweise mehr Gebrauch davon zu machen. Während 64 Prozent der Männer einen abgetrennten Raum zum Arbeiten nutzen können, trifft das lediglich auf 54 Prozent der Frauen zu. Dies kann daran liegen, dass Frauen häufiger den Spagat zwischen Familie und Karriere leisten müssen. Eine klare räumliche, zeitliche und kommunikative Grenze zu ziehen, ist jedoch enorm wichtig. Wenn Beschäftigte dazu die Möglichkeit haben, arbeiten sie unter dem Strich besser, konzentrierter sowie stressfreier und können im Anschluss leichter abschalten.

Männer können sich im HOmeoffice besser abgrenzen | © Grafik: BARMER, Universität St. Gallen
Abgrenzung von Arbeit und Familie im Homeoffice ©Grafik: BARMER, Universität St. Gallen

Die Unternehmensebene

Auf der Unternehmensebene untersucht die Studie unter anderem den digitalen Reifegrad von Unternehmen und dessen Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten. Dabei schätzten die Beschäftigten zunächst ein, wie digitalaffin ihr Unternehmen ist. Laut der Studie verorten 20,1 Prozent der Beschäftigten ihre Organisation in der ersten Phase der Digitalisierung, die aufgrund von natürlichen Vorbehalten bei der Einführung neuer Arbeitsmethoden auch Widerstandsphase genannt wird. 16 Prozent geben an, in der Vorbereitungsphase zu sein. 44 Prozent sehen ihr Unternehmen in der Umsetzungsphase, 11,5 Prozent in der Virtualisierungsphase und 8,4 Prozent in der finalen Phase der vollen Virtualität. Die Studie macht deutlich, dass durch einen höheren digitalen Reifegrad langfristig die Stresswahrnehmung der Mitarbeitenden sinkt. Dies kommt jedoch erst ab der Einführungsphase zum Tragen, zuvor steigt die Stresswahrnehmung sogar an. Daher sind Unternehmen gefordert, gerade am Anfang ein Gefühl des Fortschritts zu vermitteln und die Mitarbeitenden aktiv beim Wandel zu unterstützen. Hierbei helfen beispielsweise Schulungsangebote, Coachings sowie eine geeignete digitale Infrastruktur und Ausstattung.

Hoher digitaler Reifegrad verbessert Arbeitsfähigkeit

Eine Steigerung des digitalen Reifegrads eines Unternehmens führt nicht nur zu weniger Stress, sondern auch zu einer höheren Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten. So profitieren Mitarbeitende schon in der Vorbereitungsphase von einer verbesserten Arbeitsfähigkeit, die in späteren Reifephasen weiter zunimmt. Dieser Effekt lässt sich bereits bei einem niedrigen Reifegrad beobachten. Digitalisierung und flexiblere Arbeit können die Beschäftigten somit mittelfristig gesünder und leistungsfähiger machen. Diese Erkenntnis sollte die Unternehmen zusätzlich für den digitalen Wandel motivieren.

Stressbelastung nimmt erst zu, dann ab | © Grafik: BARMER, Universität St. Gallen
Digitaler Reifegrad eines Unternehmens beeinflusst Stressbelastung der Mitarbeitenden ©Grafik: BARMER, Universität St. Gallen

Die Teamebene

Ein weiterer Schwerpunkt der Studie untersucht, welchen Einfluss das Gefühl der Zugehörigkeit zum Team auf die Gesundheit der Mitarbeitenden hat. Dies gilt besonders unter den Bedingungen der Corona-Pandemie, in der die bisherigen Befragungswellen stattfanden. Die Analyse zeigt, dass die Teamebene für die erfolgreiche Gestaltung von mobiler Arbeit eine zentrale Rolle spielt. Hier sind insbesondere die Führungskräfte gefragt. Sie sollten befähigt sein, ihre mobilen Mitarbeitenden auch über die räumliche Distanz hinweg zu motivieren und die Arbeit sinnvoll zu koordinieren. Nicht zu kurz kommen darf dabei, jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter ein entsprechendes Feedback zur Arbeit zu geben und ihnen die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen wie Beschäftigten im Büro.

Inklusives Teamklima beeinflusst Gesundheit positiv

Das Zugehörigkeitsgefühl zu ihrem Team unter den Beschäftigten ist hoch. 74,9 Prozent stimmen der Aussage zu: „Mein Team gibt mir das Gefühl, dazuzugehören“. Ähnlich hohe Werte werden mit 73,5-prozentiger Zustimmung auch bei der Frage nach Authentizität innerhalb des Teams ermittelt. Dagegen beurteilen die Beschäftigten die Chancengleichheit innerhalb ihres Teams deutlich niedriger. Der Aussage „In meinem Team gibt es für alle Mitarbeitenden faire Aufstiegschancen“ stimmen nur 42,3 Prozent der Beschäftigten zu. Auch die Perspektivenvielfalt innerhalb ihres Teams wird von den Beschäftigten etwas niedriger eingeschätzt. So stimmen der Aussage „In meinem Team können alle Mitarbeitenden ihre Ideen und Meinungen einbringen“ 63,8 Prozent der Beschäftigten zu. Daten zu den konkreten Folgen einer besseren Inklusion sind bisher selten. Mit der Studie social health@work kann erstmals der Nachweis geführt werden, dass Inklusion die Gesundheitswahrnehmung verbessert und damit für alle Beschäftigten von zentraler Bedeutung ist. Um diesen Effekt zu zeigen, wurden Inklusion und Gesundheit in allen drei Studienwellen gemessen und deren Entwicklung über den Untersuchungszeitraum analysiert. Die Ergebnisse belegen, dass durch Inklusion am Arbeitsplatz das Gesundheitsempfinden über die Zeit ansteigt. Erstmals kann so gezeigt werden, wie bedeutsam ein inklusives Teamklima für die Gesundheit der Beschäftigten ist.

Wichtige Erkenntnisse für zielgenaue Angebote an Firmen

Gesundes digitales Arbeiten ist ohne Hilfe von außen nicht immer ohne Weiteres umsetzbar. Deshalb unterstützt die BARMER Unternehmen im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements mit digitalen und analogen Angeboten für mehr Gesundheit am Arbeitsplatz. Die Studie social health@work liefert wichtige Erkenntnisse, um diese Angebote zielgenauer auszugestalten und die Unternehmen auf diese Weise bestmöglich zu unterstützen. Hierzu gehören beispielsweise Online-Seminare für Führungskräfte zu Themen wie Führen auf Distanz oder zur Stärkung der Zusammenarbeit im Team. Der Digital Health Guide ist eine digitale Gesundheitsplattform exklusiv für Firmen, die mit der BARMER im Bereich des betrieblichen Gesundheitsmanagements zusammenarbeiten. Nach der Einrichtung eines firmenspezifischen Online-Zugangs können sich die Mitarbeitenden registrieren und Angaben zur Gesundheitssituation und Arbeitsfähigkeit in ihrer Firma machen. Per App können sie eigene Gesundheitsziele festlegen. Der Digital Health Guide gibt ihnen bedarfsgerechte Präventionsangebote an die Hand, die von Videos mit Ernährungstipps über Entspannungsübungen bis hin zum umfangreichen Ernährungsprogramm reichen. Zudem fließen die anonymisierten Daten in einen Unternehmensbericht ein. Die speziell für die BARMER entwickelte App 7Mind@work fördert zudem das Stressmanagement Beschäftigter durch Meditationstechniken, die auf den Arbeitsalltag ausgerichtet sind, und stärkt zugleich das Bewusstsein für einen achtsameren und ausgeglichenen Alltag. Um die Gesundheit der Mitarbeitenden langfristig sicherstellen zu können, bedarf es einer professionellen Komposition von Präventionsmaßnahmen, die sich nachhaltig positiv auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken.

Schlussfolgerungen für die Arbeit 4.0

Bereits jetzt kristallisiert sich heraus, dass es auch nach der Corona-Pandemie in vielen Unternehmen kein Zurück zu den alten Formen der (Zusammen-)Arbeit geben wird. Vielmehr etablieren sich neue Formen der Kooperation, die oftmals hybrid ausgelegt sind und Tätigkeiten im Büro mit mobiler Arbeit kombinieren. Die Studie social health@work kann hierbei eine zentrale Rolle spielen, da sie für Mitarbeitende, Organisationen und Teams evidenzbasierte Schlussfolgerungen zur Gestaltung der Arbeit 4.0 erlaubt. Mit jeder weiteren Befragungswelle werden die bisherigen Resultate ausgebaut und neue Erkenntnisse gewonnen. So leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zu einem gesunden Umgang mit der Digitalisierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt.

Weitere Informationen

Details zur Studie „social health@work“ unter: www.barmer.de/social-health

Zum Firmenkundenportal der BARMER: www.barmer.de/firmenkunden