Krieg in der Ukraine:Bomben rund um das Atomkraftwerk

Krieg in der Ukraine: Sie rücken vor: Ukrainische Soldaten auf einer Straße zwischen Isjum und Lyman.

Sie rücken vor: Ukrainische Soldaten auf einer Straße zwischen Isjum und Lyman.

(Foto: Francisco Seco/dpa)

Nach dem Beschuss eines Industriegebietes nahe Saporischschja will die Internationale Atomenergiebehörde eine entmilitarisierte Sicherheitszone einrichten. Putin plant, den ukrainischen Meiler zu verstaatlichen.

Von Florian Hassel, Belgrad

Nach erneuerter Sorge um die Sicherheit im größten Atomkraftwerk Europas versucht der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), eine Initiative zur Einrichtung einer entmilitarisierten Sicherheitszone um das AKW Saporischschja wiederzubeleben. IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi wollte am Donnerstag in Kiew entsprechende Gespräche mit ukrainischen Regierungsvertretern beginnen und danach zu weiteren Gesprächen nach Moskau weiterreisen. Gleichzeitig dauern Bombardierungen um das Kraftwerk an. Russlands Präsident Wladimir Putin versucht, seine Kontrolle über das Kraftwerk auszubauen, das der Ukraine normalerweise gut ein Fünftel ihrer Energie liefert.

Das russische Militär hat sowohl auf wie neben dem Kraftwerksgelände und in der etwa fünf Kilometer entfernten Satellitenstadt Enerhodar Einheiten stationiert. Ukrainische Soldaten wiederum stehen jenseits des Dnjepr-Flusses, an dem das Atomkraftwerk liegt. Auf dem AKW-Gelände stationierte IAEA-Inspektoren teilten der Zentrale in Wien zuletzt am Dienstag mit, ein Industriegebiet neben dem Kraftwerk sei bombardiert worden, nicht aber das Kraftwerksgelände selbst.

Die ukrainische Armee hat in den vergangenen Tagen sowohl in der Region Charkiw wie in der an Saporischschja grenzenden Region Cherson teils erhebliche Geländegewinne erzielt und allein in Cherson rund 50 zuvor von Russland besetzte Dörfer befreit - um das AKW Saporopschschja aber wird bisher keine Offensive gemeldet. Moskau setzte seinerseits zuletzt am Donnerstagmorgen mit Raketenangriffen auf die rund 50 Kilometer von dem Atomkraftwerk entfernte gleichnamige Stadt Saporischschja seine Angriffe auf ukrainische Infrastruktur und zivile Objekte fort.

Putin unterschrieb am Mittwoch einen Erlass, demzufolge das AKW Saporischschja verstaatlicht und dem russischen Atomkonzern Rosatom übergeben wird. Einstweilen aber sollen das bestehende Personal und ukrainische Genehmigungen und Standards weiterlaufen - und das mit gutem Grund.

Im AKW Saporischschja arbeiteten bis Kriegsbeginn Enerhodars Bürgermeister zufolge 11 000 Mitarbeiter, oft mit hoher Spezialisierung. Russland wäre nicht einmal theoretisch in der Lage, sie kurzfristig zu ersetzen. Dem ukrainischen Generalstab zufolge versuchen die Russen, verbliebene ukrainische Mitarbeiter mit Druck zur Annahme russischer Pässe und Unterzeichnung von Arbeitsverträgen mit Rosatom zu bewegen.

Am 30. September nahmen die Russen den Direktor des Kraftwerkes fest und ließen ihn erst nach Druck der IAEA am 3. Oktober wieder frei. Präsident Wolodimir Selenskiji nannte das russische Vorgehen in Saporischschja "nukleare Erpressung" und typisch für "kriminelle Aktionen dieses Staates". Selenskij zufolge sei Russland auch für die "Sabotage der Gas-Pipelines in der Ostsee" verantwortlich. Schwedens Sicherheitsdienst stellte am Donnerstag fest, der Verdacht auf "große Sabotage" habe sich erhärtet; eine gemeinsame Untersuchung mit Marine und Küstenwache habe Belege für Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 gefunden.

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