Jonas Kaufmann als "Otello"

Jonas Kaufmann als Otello in einer neuen Studioaufnahme unter Antonio Pappano.
| Michael Bastian Weiß
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Jonas Kaufmann und der Sopranistin Federica Lombardi bei den Aufnahmen für Verdis „Otello“ in Rom.
Lena Wunderlich 2 Jonas Kaufmann und der Sopranistin Federica Lombardi bei den Aufnahmen für Verdis „Otello“ in Rom.
Jonas Kaufmann und der Sopranistin Federica Lombardi bei den Aufnahmen für Verdis „Otello“ in Rom.
Lena Wunderlich 2 Jonas Kaufmann und der Sopranistin Federica Lombardi bei den Aufnahmen für Verdis „Otello“ in Rom.

Das Titelbild mit dem gut gebräunten Jonas Kaufmann lässt vermuten, dass die Plattenfirma diese Produktion primär über die Popularität des Münchner Tenors verkaufen möchte. Ein weiterer interessanter Umstand wird dadurch verdeckt: dass der "Otello" nämlich hier seit langer Zeit wieder einmal in einer im Tonstudio produzierten Aufnahme vorgelegt wird, nicht als Live-Mitschnitt.

Dieses aufwändigere Vorgehen erleichtert eine genau austarierte Balance zwischen den Sängern und dem Orchester: angesichts der instrumentalen Kostbarkeiten gerade dieser vorletzten Oper von Giuseppe Verdi kein unwesentlicher Vorzug. Aber auch für die Sänger ist es merklich angenehm, ihre Parts unter Studiobedingungen einzusingen.

Nachdenken, nicht protzen

Kaufmann ist der wohl nachdenklichste "Otello", den es je gab, ein genaues Gegenbild etwa zum legendär hitzigen Mario del Monaco, der die Rolle 1961 unter Herbert von Karajan aufnahm. Baritonale Abstufungen und Mut zu leisen Tönen ersetzen bei Kaufmann tenorale Protzerei.

Zwar ist in der Höhe eine gewisse Anspannung zu vernehmen, sie wirkt bisweilen flehend gepresst. Doch vor Kritikerkollegen, die "stimmliche Grenzen" bemäkeln, muss man Kaufmann in Schutz nehmen – wer hatte die bei dieser Rolle nicht?

Sicherlich kommt die Aufnahme für den Fünfzigjährigen nicht zu früh (sein Rollendebüt aus Covent Garden und ebenfalls unter Pappano – erschien schon vor drei Jahren auf DVD). Wer Kaufmann kritisiert, sollte fairerweise auch erwähnen, dass sein Tenor angenehm weich abgetönt ist, dass man auch die tiefen Töne noch genießen kann, kurz: dass er reflektierter, differenzierter singt als viele Andere.

In Carlos Álvarez hat er einen starken Gegenspieler. Der Spanier mit dem höchst phonogenen Bariton entspinnt als Jago seine Intrigen in verführerisch elegantem Parlando, singt das Trinklied mit strahlendem Spitzenton und erschreckt im nihilistischen "Credo" mit seiner kalten Deklamation – kurz, agiert pantherhaft, gefährlicher als etwa der mehr hinterfotzige Gabriel Bacquier 1977 unter Georg Solti oder der robustere Justino Diaz 1985 unter Lorin Maazel.

Die orchestrale Dimension

Mit seinem Charisma zieht Álvarez bei jedem Auftritt die Aufmerksamkeit mühelos auf sich, doch der Wettstreit zwischen ihm und Kaufmann belebt das Ensemble. Nur Federica Lombardi als Desdemona verblasst zwischen den beiden ein wenig. Anja Harteros, die diese Rolle im Nationaltheater mit Kaufmann als Partner sang, hätte individuelleres Profil ausbilden können.

Dieser "Otello" sticht aber auch deshalb heraus, weil das Orchestra dell’ Accademia Nazionale di Santa Cecilia Rom unter Antonio Pappano unendlich mehr als Begleitkulisse beisteuert. Sorgfältig einstudiert, können sich die Italiener symphonisch üppig verbreiten, ohne dabei den Sängern gefährlich zu werden. Mancher Hörer vermisst vielleicht eine gewisse Grelle, die Verdi auch gut anstehen kann, jene spreißelnd aufgeraute Oberfläche, die etwa Herbert von Karajan 1961 mit den Wiener Philharmonikern als aufregendes Stilmittel einsetzte.

Dafür spannt die Accademia, von der Aufnahmetechnik noch befeuert, ein extremes dynamisches Spektrum auf: Gerade hat man die Anlage bei einer schüchtern verebbenden Streicherpassage gerade ein wenig höher aufgedreht, da zuckt man bei einer Tutti-Explosion zusammen und stürzt sogleich wieder zum Lautstärkeregler.

Es ist jedoch diese orchestrale Dimension, die diese Einspielung zu mehr macht als zu einem schnöden Sänger-Vehikel.  

Giuseppe Verdi: "Otello" (Sony)
 

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