Alexander Schmid, CMS

„Ein Verbot von Krypto­währungen wäre unverhältnis­mäßig“

Der hohe Energieverbrauch von Kryptowährungen ist Kritikern ein Dorn im Auge. Sogar über ein Verbot wird diskutiert. CMS-Anwalt Alexander Schmid zeigt andere Lösungen auf.

„Ein Verbot von Krypto­währungen wäre unverhältnis­mäßig“

Helmut Kipp

Herr Schmid, Kryptowährungen stehen wegen ihres hohen Energieverbrauchs in der Kritik. Wie klimaschädlich sind sie wirklich?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es gibt eine Vielzahl an Kryptoprojekten mit verschiedenen Zielrichtungen und großen Unterschieden im Energieverbrauch. Fast keines dieser Projekte versteht sich als „Internet Money“, hat sich also zur Aufgabe gemacht, nur Kryptowährung zu sein. Vielmehr verfolgen die meisten Kryptoprojekte übergeordnete Ziele wie Decentralized Finance und Non Fungible Token. Die Bewertung des Energieverbrauchs von Kryptoprojekten erfordert eine Einzelfallbewertung mit Blick auf das jeweilige Projektziel und unter Vergleich mit traditionellen Technologien, die für ähnliche Zwecke betrieben werden.

Welche Faktoren spielen eine Rolle?

Wie viel Energie ein Kryptoprojekt benötigt, hängt insbesondere vom Konsensmechanismus ab. Die Sicherstellung, dass Transaktionen valide sind, übernehmen auf der Blockchain sogenannte Miner, die Rechenleistung bereitstellen und sich mit anderen Minern duellieren – nur der Gewinner generiert einen neuen Block und erhält Coins als Gegenleistung. Bei Proof-of-Work-Blockchains gewinnt dieses Duell der Schnellste beziehungsweise Stärkste, also derjenige mit der meisten Rechenpower, was zu einem ständigen Hardware-Hochrüsten und zu steigendem Strombedarf führt. Der Stromverbrauch von Bitcoin wird laut dem Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index auf rund 130 Terawattstunden pro Jahr geschätzt.

Gibt es klimafreundlichere Lösungen?

Ja, Proof-of-Stake-Blockchains. Im Unterschied zu Proof of Work gewinnt bei Proof of Stake nicht der Schnellste/Stärkste, sondern derjenige, der von der Blockchain zufällig ausgewählt wird. Dadurch gibt es bei Proof of Stake keinen Anreiz für die größte Rechenpower. Vielmehr steigt die Chance, ausgewählt zu werden, je nach hinterlegtem Kapital (Stake). Proof-of-Stake-Blockchains benötigen so nur einen Bruchteil der Energie und sind auch schneller. Die meisten neuen Kryptoprojekte basieren auf Proof of Stake. Die Nummer 2 der größten Kryptoprojekte nach Marktkapitalisierung, Ethereum, wird voraussichtlich noch im laufenden Jahr auf Proof of Stake umstellen. Während Bitcoin durchschnittlich rund 1,544 Kilowattstunden (KWh) pro Transaktion verbraucht, liegen Proof-of-Stake-Blockchains wie Stellar mit 0,00003 KWh pro Transaktion oder Nano mit 0,000112 KWh pro Transaktion deutlich darunter. Andere Blockchains wie Algorand kooperieren mit CO2-Initiativen und halten so Transaktionen karbonneutral.

Rechtfertigt der hohe CO2-Ausstoß ein Verbot von Kryptowährungen, über das diskutiert wird?

Nein. Die meisten Kryptoprojekte sind gewöhnliche Unternehmen, die an­stelle von Aktien Kryptotoken he­raus­geben. Ein allgemeines Verbot von Kryptowährungen wäre innovationsfeindlich und unverhältnismäßig. Auch für die Proof-of-Work-Blockchains kann es Rechtfertigungsgründe geben, weshalb weiterhin Proof of Work und nicht Proof of Stake eingesetzt wird, etwa ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis oder Dezentralität.

Welche anderen Möglichkeiten gibt es?

Anstelle eines Verbots gilt es, Anreize für besonders umweltfreundliche Kryptoprojekte zu schaffen und das Mining umweltfreundlicher zu ge­stalten, etwa indem die Verwendung nachhaltiger Energien gefördert wird oder für das Mining Leerlaufzeiten von Kraftwerken, also Zeiten geringer Nachfrage, gezielter ge­nutzt werden. Hinsichtlich der Anreize zur Nutzung von Proof-of-Stake-Blockchains ist in Deutschland – jedenfalls aus Sicht des Steuerrechts – aktuell das Gegenteil der Fall: Während für Privatanleger Verkäufe von Coins aus Proof-of-Work-Blockchains in der Regel nach einem Jahr steuerfrei sind, kann die Nutzung von Proof of Stake zu einer Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre führen, wenn durch Staking zwischenzeitlich Einkünfte generiert werden. Dies macht Proof of Stake aus Anlegersicht unsexy und ist hinderlich für einen Wandel zu klimafreundlicheren Blockchains.

Dr. Alexander Schmid ist Rechtsanwalt bei der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

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