Der chinesische Kosmetik-Unternehmer Li Jiaqi, auch bekannt als "Lippenstiftkönig".
Der chinesische Kosmetik-Unternehmer Li Jiaqi, auch bekannt als „Lippenstiftkönig“.
picture alliance/dpa/MAXPPP/ Han Haidan/China News Service

Nachdem der chinesische Schmink-Künstler Li Jiaqui während einer Sendung auf seinem Shoppingkanal auf das Tian’anmen-Massaker hinwies, sperrte China ihm die Social-Media-Kanäle.

Dabei ist Li Jiaqui nur ein Beispiel, wie China mit Prominenten umgeht, die öffentlich Kritik am politischen System des Landes üben.

Inzwischen sperrt das Kommunistische Partei sogar vorsorglich Social-Media-Accounts, von denen sie denkt, dass sie „unkorrekte politische Ansichten“ haben.

Es war ein Kuchen, der nicht wegen seines Geschmacks Furore machen sollte. Als dem in China bekannten Schmink-Künstler und Online-Händler Li Jiaqi während einer Sendung auf seinem Shopping-Kanal ein mit Schokolade lasiertes Backwerk in Form eines Panzers angeboten wurde, ging eine Schockwelle durch den chinesischen Staatsapparat. Denn das Datum für eine solche Gabe war kein gewöhnliches: Am 4. Juni jeden Jahres gedenkt die freie Welt der Morde, die die chinesische Führung im Jahr 1989 an den Studierenden auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking begangen hat. Die jungen Menschen demonstrierten damals für mehr Freiheit und Demokratie. Deng Xiao-ping, ansonsten ihm Westen als Reformer verklärt, reagierte harsch. Tausende sollen dabei umgekommen sein.

Genaue Zahlen gibt es nicht. Die Nomenklatura in Peking verbietet bei drakonischen Strafen, auch nur das Wort Tiananmen in den Mund zu nehmen. Es gehört zu den drei verbotenen “T”s: Tiananmen, Tibet und Taiwan. Ein Foto von den Protesten erlangte damals weltweit Aufmerksamkeit. Es zeigt einen einsamen Streiter, der sich, mit nichts außer einer Plastiktüte in der Hand, vor eine Schlange von Panzern stellt, die auf die Menge zurollte. Genau daran erinnerte die Zensoren der Kuchen.

Li Jiaqis Socialmedia-Kanäle wurden daraufhin allesamt sofort offline genommen. Die Karriere des jungen Unternehmers, der vor allem durch den Verkauf von Lippenstiften bekannt wurde, ist damit beendet. Mit dem Effekt, dass vor allem viele seiner jungen Fans nun zum ersten Mal überhaupt von dem Massaker erfahren. Da sie sich Lis Verschwinden aus dem Internet nicht erklären konnten, haben sie angefangen zu recherchieren. Die Kommunstische Partei hat also mit ihrem Übergriff das genaue Gegenteil von dem erreicht, was ihr vorschwebte.

Nach Kritik an der „Zero Covid“-Politik wurde auch Bankdirektor Hong Hao online gesperrt

Das völlige zum Schweigen bringen von unliebsamen Personen ist für die Partei zu einem beliebten Mittel ihrer Allmachtsdemonstration geworden. Denn wer online nicht auffindbar ist, denn gibt es nicht. Das musste auch der Bankdirektor und Marktanalyst Hong Hao schmerzlich herausfinden. Nachdem er öffentlich die Folgen einer „Zero Covid“-Politik der Regierung für die chinesische Wirtschaft darlegte, wurden ihm alle Online-Kanäle blockiert. Die Internet-Konzerne des Landes setzen hier ohne Weiteres die Befehle der Kommunistischen Partei um. Hong musste wenig später auch die Bank, für die er arbeitete, verlassen. Seine berufliche und soziale Existenz sind jetzt gleichermaßen ruiniert. 

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Beide Fälle zeigen die übermäßige Nervosität und Paranoia, die diktatorische Regime regelmäßig überfällt. Xi Jinping und seine Nomenklatura dulden keinerlei, auch nicht den kleinsten Deut einer Abweichung von ihrer Doktrin. Wenn es nach ihnen ginge, dann müsste sich die ganze Welt ihrem Diktat beugen: Die Universität Cambridge wurde im Jahr 2017 angewiesen, Artikel, in denen die drei verbotenen „T”s vorkommen, aus ihrer Online-Bibliothek zu nehmen. Anderenfalls wäre sie in China nicht mehr abrufbar. Die Universität gab dem nach. Erst nach internationalen Protesten, die die renommierte Universität an die Freiheit der Wissenschaft erinnern mussten, machte Cambridge einen Rückzieher.  

Social-Media-Accounts von Prominenten mit Kritik an chinesischer Politik werden vorsorglich gesperrt

Tweets von Basketball-Spielern aus der amerikanischen NBA erzürnen regelmäßig Peking. 2019 setzte ein Spieler Unterstützung für Hongkong über Twitter ab, 2021 ein anderer für Tibet. In beiden Fällen rastete die Führung komplett aus und drohte der NBA damit, in China nicht mehr gezeigt zu werden. Wenn man auf dem Weg zur größten Volkswirtschaft der Welt ist und trotzdem keinerlei Souveränität oder Gelassenheit gegenüber einem Tweet einer Person, die tausende Kilometer entfernt ist, besitzt, zeigt das, in welchem fortgeschrittenen, schlechten Stadium diese Diktatur bereits angelangt ist. Auf dem Höhepunkt der Lockdowns im März und April sperrte Peking Abermillionen Menschen in ihren Häusern ein, teilweise ohne genug Essen oder notwendige Medikamente.

In Xi Jinpings Reich werden mittlerweile auch schon vorsorglich Accounts von Prominenten gesperrt und aus dem Netz genommen, von denen die KP denkt, dass sie “unkorrekte” politische Ansichten haben. Denn Xi hat Angst, dass beliebte Stars mit Millionen Follower zum Protest gegen seine Diktatur blasen. Zudem möchte Xi, das Pluralität und Diversität, für die sich Schauspieler häufig einsetzen, aus China verschwinden. Koreanische Shows und Filme durften deshalb über Jahre hinweg nicht in der Volksrepublik gezeigt werden, weil Xi findet, dass die Männer in Korea zu “weibisch” seien. So verschwindet aus China nach und nach das, was man in der freien Welt ein normales Leben nennt.

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