Kalter Wind von Rechts: Wie rechte Parteien und Akteur:innen die Klimakrise zu ihren Gunsten missbrauchen Eine Analyse über falsche Fakten, Feindbilder und Desinformationsnarrative im Umfeld der Bundestagswahl 2021.

Kalter Wind von Rechts: Wie rechte Parteien und Akteur:innen die Klimakrise zu ihren Gunsten missbrauchen Eine Analyse über falsche Fakten, Feindbilder und Desinformationsnarrative im Umfeld der Bundestagswahl 2021.

Authors:Paula Matlach und Łukasz Janulewicz
Published: 1 December 2021

“Kalter Wind von rechts” untersucht die Klimadebatte im Kontext der Bundestagswahl besonders im Hinblick auf Desinformationstaktiken. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen dieser Studie die Rolle des Klimaschutzes im Wahlkampf der Parteien und in der Öffentlichkeit analysiert und die Debatte auf die Verbreitung von Falschinformationen untersucht.

Noch nie zuvor hat Klimapolitik in einem Wahlkampf in Deutschland eine so zentrale Rolle gespielt wie im Kontext der Bundestagswahl 2021. Tatsächlich war laut Umfragen der Klimawandel in der Woche vor der Bundestagswahl für Bürger:innen mit Abstand das wichtigste Problem in Deutschland. Der Report basiert auf einem umfassenden Monitoring auf Facebook und Twitter im Zeitraum vom 08.08.2021 bis zum 03.10.2021. Wichtigste Ergebnisse:

  • Die AfD, insbesondere im Vergleich zu den anderen untersuchten Parteien, profitierte immens von der Debatte zum Klimawandel. Beachtenswert ist dabei, dass die AfD als einzige Partei den menschengemachten Klimawandel in Frage stellt und sich gegen Klimaschutzmaßnahmen ausspricht.
  • Die klimabezogenen Beiträge der AfD wurden deutlich häufiger geteilt als alle anderen Beiträge der Partei im Durchschnitt (40–237 % mehr Shares). Sie wurden auch deutlich häufiger geteilt als die klimabezogenen Beiträge der anderen Parteien.
  • Es wurde in mehreren Fällen festgestellt, dass boulevardisierte Schlagzeilen etablierter Medien insbesondere von Nutzer:innen aus dem rechten Spektrum genutzt werden, um Desinformationen eine höhere Glaubwürdigkeit zu verleihen.
  • Insgesamt konnte eine Stilisierung der Klimadebatte von Seiten Rechter zum sogenannten “Kulturkampf” beobachtet werden. So wurden in den häufig geteilten Inhalten oftmals Feindbilder heraufbeschworen und Klimaschutzmaßnahmen als vermeintliche Bedrohung für den Lebensstil der Wähler:innen konzeptualisiert.
  • Im Rahmen dieser Analyse fiel auf, dass sich zwei der wichtigsten Plattformen der sozialen Medien, Twitter und Facebook, im Hinblick auf die Klimadebatte stark unterscheiden: Auf Twitter wurden Botschaften am häufigsten geteilt, die dem Klimaschutz positiv gegenüber standen, auf Facebook hingegen diejenigen, die Klimaschutzmaßnahmen negativ einordneten.
  • Vor allem Akteur:innen aus der AfD und andere aus dem rechten Spektrum schüren bewusst Ängste in der Bevölkerung, indem sie Feindbilder projizieren, Fakten zum Klimawandel bewusst verzerrt darstellen, oder auch konsequent ignorieren. Die Argumentationsführungen zielen darauf ab, den Klimawandel als ungefährlich oder nicht existent einzuordnen (“Verleugnung und Verzögerung”). Beiträge mit diesem Narrativ erreichten eine signifikante Reichweite und wurden innerhalb unseres Datensatzes mehr als 135.000 Mal geteilt.
  • Es wurde außerdem die Verbreitung der Argumentationsführung, dass andere Länder in höherem Maße für den globalen CO2-Ausstoß verantwortlich seien und Deutschland daher im Klimaschutz nicht aktiv werden sollte, beobachtet. Dieses Narrativ hatte im Vergleich zum “Verleugnung und Verzögerung“-Narrativ eine geringere Reichweite. Entsprechende Beiträge wurden mehr als 6.500 Mal in unserem Datensatz geteilt.

Paula Matlach ist Analystin beim ISD. Sie untersucht die Verbreitung von Desinformation und Propaganda im deutschen und englischen Sprachraum. Zuvor arbeitete sie als Referentin beim NATO Strategic Communications Centre of Excellence, wo sie unter anderem Artikel zu den Themen Netzregulierung und ausländische Einflussnahme veröffentlichte.

Łukasz Janulewicz ist Analyst beim ISD. Er befasst sich dort mit der Verbreitung von Desinformation und Verschwörungsmythen zum Klimawandel im deutschen, englischen und polnischen Sprachraum. Zuvor arbeitete er in der universitäten Forschung und Lehre sowie in der Politikberatung.

Der Bericht wurde mit Unterstützung von Francesca Arcostanzo, Sara Bundtzen, Gil Jung und Jennie King verfasst.

Herausgeberische Verantwortung: Huberta von Voss-Wittig, Executive Director ISD Germany

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