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Das Büro der Zukunft

In Krisenzeiten müssen viele Unternehmen sparen: Die Arbeit im Homeoffice funktioniert gut, warum also noch teure Büros anmieten? Das ist zu kurz gedacht. Wir werden auch in Zukunft noch Büros brauchen – nur sehen sie anders aus als bisher.
aus Harvard Business manager 9/2020
Die Serie "Ice Fishers" des kirgisischen Fotografen Aleksey Kondratyev zeigt Arbeitsplätze der besonderen Art - die von Eisanglern auf dem Fluss Ischim in Kasachstan. Bei Kondratyevs ersten Aufnahmen war es so kalt, dass die Batterien seiner Kamera einfroren. Die Angler nutzen Plastiksäcke, um sich vor Wind und Wetter zu schützen. Die warme Atemluft bleibt in den Säcken und hilft gegen die Kälte. "Diese Angler improvisieren und passen sich auf raffinierte Weise an die Umgebung an", sagt Kondratyev, der in Los Angeles lebt.

Die Serie "Ice Fishers" des kirgisischen Fotografen Aleksey Kondratyev zeigt Arbeitsplätze der besonderen Art - die von Eisanglern auf dem Fluss Ischim in Kasachstan. Bei Kondratyevs ersten Aufnahmen war es so kalt, dass die Batterien seiner Kamera einfroren. Die Angler nutzen Plastiksäcke, um sich vor Wind und Wetter zu schützen. Die warme Atemluft bleibt in den Säcken und hilft gegen die Kälte. "Diese Angler improvisieren und passen sich auf raffinierte Weise an die Umgebung an", sagt Kondratyev, der in Los Angeles lebt.

Foto: ALEKSEY KONDRATYEV

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Warum gibt es Büros? Vor der Corona-Krise wäre die Antwort vielleicht so ausgefallen: Räumliche Nähe ist wichtig, damit Menschen in Organisationen effektiv und effizient zusammenarbeiten. Sie ist sogar unabdingbar, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter neue, kreative Lösungen entwickeln sollen. Auf Basis dieser Annahmen haben Unternehmen in den vergangenen Jahren haufenweise Bürowände entsorgt; entstanden sind vielerorts offene, bunte Arbeitslandschaften. In den Städten gründeten sich gleichzeitig zahllose Co-Working-Spaces. In sie strömten Selbstständige, Gründer und Projektgruppen auf der Suche nach Austausch, Netzwerken und Inspiration. Mitarbeiter erhielten vermehrt die Möglichkeit, von unterwegs oder daheim zu arbeiten. Dennoch blieb das Büro für die allermeisten der primäre Arbeitsort.

Auch ich war mir sicher: Die physische Nähe und die räumliche Umgebung haben einen maßgeblichen und positiven Einfluss auf unsere Arbeit. Das belegte nicht nur meine eigene Erfahrung, sondern war auch Ergebnis wissenschaftlicher Studien.

Hat sich diese kollektive Erfahrung durch die massenweise Entsendung der Büromitarbeiter nach Hause verändert? Erste Untersuchungen zeigen, dass die Arbeit im Homeoffice überraschend gut funktioniert (siehe dazu auch den Kasten "Die Vor- und Nachteile des Homeoffice"). Teilweise berichten Mitarbeiter sogar von einer größeren Nähe zu ihrer Führungskraft als vorher. Welche Rolle spielt das Büro noch in einer virtuellen Zukunft? Hat es seine bislang unangefochtene Bedeutung als Arbeitsort verloren? Wenn ja, wie verändern sich die Anforderungen an Büros infolge der Pandemie?

Die Vor- und Nachteile des Homeoffice

Eine Gruppe amerikanischer Forscher und Forscherinnen hat untersucht, was für den Erfolg des nach ihren Worten "größten Homeoffice-Experiments der Geschichte" ausschlaggebend war. Sie hatten mehr als 600 Angestellte in den USA befragt und untersucht, wie sich ihre digitale Kommunikation nach Ausbruch der Krise geändert hatte. Für die Wissenschaftler überraschend: Der Wechsel ins Homeoffice hatte die Produktivität kaum beeinträchtigt.

Die größte Herausforderung schien zu sein, im Homeoffice Privat- und Berufsleben zu trennen. Die Analyse von E-Mails, Chatverläufen und Kalendereinträgen in einem internationalen Technologiekonzern ergab: In den ersten Wochen des Lockdowns arbeitete die Hälfte der Mitarbeiter zehn oder mehr Stunden am Tag; zuvor waren es nur rund 20 Prozent. Mittlerweile sind die Überstunden weniger geworden. Allerdings sind die Arbeitstage immer noch 10 bis 20 Prozent länger als zuvor.

In der Vergangenheit sind Unternehmen oft mit dem Versuch gescheitert, Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten zu lassen - IBM, Yahoo und der Versicherer Aetna liefern anschauliche Beispiele. Warum klappt es diesmal besser? Die Forscher sehen zwei Gründe: Erstens hat die Pandemie alle Mitarbeiter gleichzeitig zum Wechsel ins Homeoffice gezwungen. Und zweitens haben sie sich gemeinsam um Lösungen bemüht.

2011 ergab eine Studie, dass Mitarbeiter im Homeoffice sich ausgegrenzt und weniger respektiert fühlten, wenn sie nur einen kleinen Teil der Belegschaft ausmachten – unabhängig von ihrer Position. Sie identifizierten sich auch weniger mit ihrem Unternehmen. Bob Moesta, CEO der Beratung Re-Wired Group, sagte: "Das Homeoffice musste so gut sein wie das Büro. Es ging nicht, dass ein Kind im Hintergrund hin und her lief, weil der Referenzpunkt das Büro war, wo das niemals geschehen würde." Das hat sich durch die Corona-Krise geändert. Zuvor galt das Homeoffice als Ausnahme, nun ist es die Regel – und damit der neue Referenzpunkt im Unternehmen.

Die Forscher weisen auch auf Nachteile hin. Wenn Menschen nur über digitale Kanäle in Kontakt treten, kommt es Untersuchungen zufolge zu weniger Small Talk. Dieser soziale Austausch jedoch ist wichtig, damit Vertrauen entsteht – eine wesentliche Voraussetzung für Zusammenarbeit und Innovation. Probleme kommen auch auf neue Mitarbeiter zu: Ein wichtiger Teil des Onboardings besteht darin, dass sie ihre Stärken und ihr wahres Ich zeigen können. Dafür ist ein intensiver, häufiger Austausch mit Kollegen nötig – in einer virtuellen Umgebung sei das nur schwer möglich, so die Forscher.

Büroarbeit vor der Pandemie

Bereits in den Jahren vor dem Corona-Ausbruch hat sich die Büroarbeitswelt zunehmend verändert. Immer mehr Unternehmen führten offenere und zusammenhängende Raumstrukturen ein. Das sollte die Kommunikation innerhalb und insbesondere zwischen Teams fördern, die Zusammenarbeit stärken und neue Ideen entstehen lassen.

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Häufig hoben Unternehmen die feste Zuordnung eines Arbeitsplatzes zu einer Person auf, damit Mitarbeiter die offeneren Räume flexibel nutzen konnten. Gleichzeitig weiteten sie die mobile Arbeit aus: Angestellte durften Teile ihrer Arbeit von zu Hause aus erbringen. Im Gegenzug reduzierten die Firmen häufig die Anzahl der Büroplätze und sparten Flächen ein.

Die ortsunabhängige Arbeitsweise erlangte bei Unternehmen und Mitarbeitern eine hohe Popularität. Sie steigerte die Attraktivität als Arbeitgeber und half beim Werben und Binden von Fachkräften. Manager verknüpfen diese Entwicklungen häufig mit dem Begriff "New Work", auch wenn das orts- und zeitflexible Arbeiten nur eines von vielen Elementen dieser Philosophie darstellt.

2018 führten wir in unserem Verbundforschungsprojekt "Office 21" die Studie "Office Analytics" durch. Dabei befragten wir rund 10.000 Angestellte und Selbstständige zu ihren Erfahrungen in der Arbeitswelt. Die positiven Effekte, die wir fanden, waren überwältigend. Es gab nicht nur starke Zusammenhänge zwischen einer autonomeren Form von Arbeit und der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, sondern auch mit Erfolgskriterien wie der Einschätzung der eigenen Leistung, Motivation und Wohlbefinden. Deutlich positiv wirkte sich eine hohe Zufriedenheit mit der physischen Arbeitsumgebung aus. Wovon hing diese ab? Von guter Akustik, Rückzugsmöglichkeiten, der Verfügbarkeit und Vielfältigkeit von Besprechungsräumen sowie Erholungs- und Pausenmöglichkeiten. Die Auswertung der Datensätze ergab, dass die Möglichkeit, spontan kommunizieren zu können, ebenfalls ein positiver Faktor war – allerdings weniger stark als häufig angenommen. Viel wichtiger schien das Thema Konzentration. Wenn wir uns die aktuelle Bürowelt anschauen, finden wir in den vielen offen gestalteten Großraumbüros kaum Rückzugsräume oder Orte, die speziell für konzentriertes Arbeiten ausgelegt sind. Dabei umfasste der durchschnittliche Anteil für ruhiges, fokussiertes Arbeiten bei den Studienteilnehmern fast die Hälfte der gesamten Arbeitszeit. Die beiden am stärksten negativ wirkenden Faktoren waren ein als zu gering empfundener Abstand zu den anderen Arbeitsplätzen und die Störung durch vorbeilaufende Personen. Diesen Aspekten schenkten Firmen bisher deutlich zu wenig Aufmerksamkeit.

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