Was Braunschlag zur besten deutschsprachigen Serie macht

31.03.2017 - 15:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
BraunschlagORF
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Mein Herz für Serie geht an die lustigste deutschsprachige Serie Braunschlag. David Schalko präsentiert uns das Leben, die Sorgen und die Verstrickungen der dortigen Dorfbewohner.

Die österreichische Miniserie Braunschlag entführt uns in eine Welt, die uns allen bekannter ist, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Das niederösterreichische Waldviertel steht darin stellvertretend für die ganze Welt, der Regisseur David Schalko bezeichnete es selbst  "eine Art Welt-Niederösterreich". Es ist eine Gegend, in der es - wie mittlerweile in den meisten Dörfern - immer weniger junge Menschen gibt. Dafür gibt es aber zwischen den alteingesessenen Dorfbewohnern, die schon seit Generationen Mitglieder der Gemeinde Braunschlag sind, umso mehr Geheimnisse und Verstrickungen. Die sieben Todsünden stehen in dem konservativen und religösen Ort nicht nur in der Kirche an der Tagesordnung. In meinem heutigen Herz für eine Serie erfahrt ihr einige Gründe, warum Braunschlag die beste deutschsprachige Serie ist.

Die Stärken der Serie erinnern an Twin Peaks

Die ORF-Serie erinnert an vielen Stellen an David Lynchs Twin Peaks. Was nicht verwunderlich ist, da Braunschlag-Macher David Schalko Twin Peaks in einem Interview  als seine Lieblingsserie nannte. Er lobt darin, dass Twin Peaks "völlig irrational erzählt ist, aber einen doch auf eine gewisse Art berührt", das gleiche gilt auch für seine Waldviertler-Serie.

Sowohl Braunschlag als auch Twin Peaks spielen in einem kleinen Dorf, das sich umgeben vom Wald im Nirgendwo befindet. Die große Stärke der Serien sind die wundervoll ausgearbeiteten Haupt- und insbesondere auch die Nebencharaktere. Jeder Charakter, der in der Serienwelt auftaucht, hat nicht nur eine narrative Relevanz, sondern wurde auch liebevoll von den Schöpfern ausgearbeitet und überzeugend von den Darstellern verkörpert. Im Mittelpunkt der Serien stehen für die liebenswerten Dorfbewohner mysteriöse Ereignisse und die Suche nach dem passenden Umgang damit. Beide Serien werden gekrönt von sehr interessanten Figuren- und Handlungsentwicklungen, die die Spannung aufrechterhalten und dem Zuschauer Lust auf mehr machen.

Technicolor Picknick

Ein Beispiel für die skurrile und originelle Charakterentwicklung in Braunschlag ist der Gesandte des Vatikans, Alfred Banyardi (Manuel Rubey). Dieser wird von einem durch seine Einsamkeit niedergeschlagenen Kleriker zu einem von der Liebe zu einer deutschen Magd (Adina Vetter) getriebenen Lüstling. Er organisiert ein spontanes Picknick in einer Der Zauberer von Oz-Technicolor-Landschaft und es gelingt ihm, seine Geliebte für sich zu gewinnen.

Der große Unterschied der beiden Serien findet sich im Genre. David Lynch legt den Schwerpunkt auf mysteriöse Elemente, wohingegen bei David Schalko eindeutig der bitterböse Humor im Vordergrund steht.

Figurenzeichnung in innovativen Szenen als visuelle Komödie

David Schalko schafft es, in Braunschlag eine fesselnde Welt zu erschaffen, in der erzählenswerte kleine Geschichten zu einem großen Ganzen verbunden werden. Für mich war an der Serie jedoch am beeindruckendsten, wie er darin seine Figuren gekonnt in Szene setzt. Er schafft es, seine Charaktere mit dazu passenden Einstellungen, Settings und Musik zu untermalen und zeichnet somit mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus seinen bereits spannend geschriebenen Figuren ein eindrucksvolles Bild.

Schalko zeigt uns die Skurrilität des Alltäglichen und Menschlichen. Der Alltag der Frau des Bürgermeisters, Herta (Maria Hofstätter), wird von Eintönigkeit, Einsamkeit und der dadurch aufkommenden Langeweile bestimmt. Als sie beispielsweise ihren Kaffee in der Mikrowelle aufwärmt, beobachtet sie, wie sich die Tasse im Kreis dreht. Schalko schafft hier ein Motiv, das als Allegorie für ihren Alltag steht, der in wiederkehrenden Zyklen jeden Tag in derselben Form von vorne beginnt und sich somit wie die Tasse ständig im Kreis dreht. Ihr absolutes Tageshighlight ist traurigerweise das unbefriedigende Naschen am Kuchen von gestern. Auch bei dieser Figur gelingt Schalko eine überraschende und doch überzeugende Entwicklung. Herta findet in der Tageszeitung eine Anzeige für einen Kuschelclub namens Steichelzoo, dort hofft sie auf die Nähe und Abwechslung, die ihr in ihrer Ehe seit Jahren fehlt. Die Szene im Kuschelclub ist eine der besten der Serie. Sie trifft als Hase verkleidet auf viele andere einsame Tiere. Im Rotlichtambiente wandelt sie zur langsamen, romantischen Schnulze Love Letters in the Sand von Pat Boone durch den Streichelzoo. Einige der Besucher tanzen innig zu der sanften Musik, sie sieht in ihrem Hasenkostüm noch trauriger als zuvor aus, inmitten all der Paare. Doch dann trifft sie auf einen lila Hasen, der ihr zuwinkt und sie in eine abgeschiedene Ecke führt, in der sich die beiden Hasen näherkommen.

Im Streichelzoo

Schauspielkunst trifft auf exzellent ausgestaltete Figuren

Die Crème de la Crème der österreichischen Schauspielgarde verkörpert in Braunschlag liebevoll gezeichnete Figuren, die dem Zuschauer echt erscheinen und nicht - wie in vielen anderen Serien - wie Abziehbilder von real existierenden Charakteren. Der Betrachter stellt deshalb eine Bindung zu ihnen her. Diese Figuren werden im Mikrokosmos des Dorfes verbunden, doch jeder einzelne Charakter wird dem Zuschauer in visuell interessanten Geschichten nähergebracht. David Schalko ist damit die lustigste deutschsprachige Serie gelungen. Braunschlag ist urkomisch, teilweise bitterböse und durchgehend innovativ inszeniert. Das Gleiche gilt übrigens für den bereits ausgestrahlten zweiten Teil der geplanten Trilogie, Altes Geld, in der Schalko die Gier und Korruption - diesmal im Gegensatz zum ersten Teil - in der österreichischen Hauptstadt im Milieu der Superreichen aufzeigt.

Habt ihr Braunschlag schon gesehen?

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