Fragen zum Bestandsschutz

Ein typisches Beratungsgespräch in Sachen Bestandsschutz läuft ungefähr so:

Ich habe Post vom rbb bekommen. Ein Honorarrahmenvertrag. Das klingt ja erstmal super – aber kann man das wirklich unterschreiben?

Na hoffentlich! Die Gewerkschaften haben hart verhandelt. Es gibt garantierte Aufträge bis zur Rente, Familienzuschlag, Geld für die Altersversorgung. Aber nur, wenn man unterschreibt, sonst nicht. Bitte natürlich vorher prüfen, ob alles stimmt.

Da steht so eine Zahl von Tagen, die mir garantiert werden sollen. Das ist deutlich weniger als meine Prognose. Da stimmt doch was nicht!?

Die Zahl der Garantietage ist ein Durchschnittswert: Alle Tätigkeitstage der Jahre 2014, 2015 und 2016 geteilt durch drei. Wenn der Wert stimmt, hat alles seine Richtigkeit. Man muss sich klar machen: Die Auftragsgarantie (= Mindestbeschäftigung) ist praktisch das Gegenteil von der Prognose (=Höchstbeschäftigung). Die Prognosegrenze haben die wenigsten exakt erreicht.

Aber 2014 habe ich doch gerade erst angefangen…

Dann zählen nur 2015 und 2016, geteilt durch 2.

Ich habe nachgerechnet und komme auf ein, zwei Tage mehr. Wer hat jetzt recht?

Möglicherweise liegt es daran, dass die HA Personal Fortbildungstage nicht einkalkuliert hat. Die Freienvertretung meint: Die müssen mitgezählt werden. Wer solche oder andere Bedenken hat, meldet sich bitte bei uns, wir rechnen gerne nach.

Ich finde nur die garantierten Tage, aber nichts über garantierte Honorare. Woher weiß ich, wie viel Geld ich bekommen werde?

Im Prinzip so viel wie jetzt auch. Da steht auch immer, um welche Tätigkeit es geht – z.B. Cutter, Disponent oder Grafik. In den meisten Fällen ergibt sich der Tagessatz aus dem Honorarrahmen Produktion. Diese Sätze werden in Zukunft regelmäßig im Rahmen der Tarifverhandlungen erhöht. Es gibt auch ein paar Tätigkeiten ohne Tarifhonorar, vor allem aus dem Programmbereich. Z.B. „Redaktionsassistent“, „Leiter vom Dienst“, „Producer“, „Layouter“. Bis es einen tarifierten Honorarrahmen gibt, gelten die heutigen Sätze weiter.

Programmbereich? Ich dachte, es geht nur um die Produktion.

Falsch. Es kommt nicht auf die Direktion an, sondern auf die Tätigkeit und ob man das Programm inhaltlich gestaltet. Ein Programmassistent z.B. entscheidet nicht über die Inhalte: NPG. Ein freier Online-Redakteur stellt Beiträge von Kollegen ins Netz: NPG. Ein Ablaufredakteur im Radio hält dem Moderator den Rücken frei und kürzt nach Vorgaben Beiträge: NPG. Redaktionelle Mitarbeit im Verkehrsfunk, am Servicetelefon, bei Off-Air-Veranstaltungen und im Marketing: NPG. Ein Musikredakteur bestückt die Rotation nach Vorgaben: NPG. Es gibt eine ganze Menge Tätigkeiten direkt am Programm, die nicht inhaltlich gestaltend sind. Weil sie aber oft in Mischformen mit programmgestaltenden Tätigkeiten einhergehen, kommt es immer auf den Einzelfall an. Bitte macht eure Kollegen darauf aufmerksam, dass sie den Finger heben. Es geht um viel! Nicht nur um Sicherheit. Auch viel Geld! Die Unterschrift ist viele Tausend Euro wert.

Wie viel Geld genau?

Ab Januar für jedes Kind 67 Euro pro Monat.
Ab Januar zusätzlich 3 Prozent der Honorare an die Pensionskasse (zusätzlich zu den bisherigen 4 Prozent).
Rückwirkend seit 2003 für Jahre mit mindestens 72 Tagen 2 Prozent der erzielten Honorare an die Pensionskasse. Unter einer Bedingung…

Bedingung?

Selbstverständlich muss man Mitglied in der Pensionskasse sein, um Zuschüsse zu bekommen. Für die Zukunft reicht es, jetzt beizutreten. Um die rückwirkende Zahlung zu bekommen, muss man schon vor dem 31.12.2016 Mitglied gewesen sein.

Ich bin aber in der Presseversorgung und will da bleiben!

Im Einzelfall geht das auch, aber nur auf Antrag.

Wow, klingt ja super. Und was ist der Preis? Irgendwas wollen die doch von mir haben…

Der rbb möchte, dass du keine feste Stelle bekommst. Weil NPG-Freie arbeitsrechtlich beste Chancen haben, sich einzuklagen, bietet er den Bestandsschutz an und nimmt auch viel Geld für die Altersversorgung in die Hand. Damit sich eine Klage nicht lohnt.

Also muss ich mein Klagerecht aufgeben?

Nein! Auf keinen Fall – wenn es nötig sein sollte, kannst du immer noch vor Gericht gehen. Aber für die allermeisten sollte es mit Bestandsschutz keinen Grund zur Klage geben. Weil sie jetzt so viel Sicherheit wie Feste haben. So viel Geld wie Freie (oft etwas mehr als die Festen). Und auch die Altersversorgung sollte okay sein. Im Einzelfall kann das natürlich anders aussehen. Dann kann man immer noch prüfen, ob man mit einer Klage besser fährt.

Was verändert sich ab Januar im Alltag?

Die Dispo muss sich am meisten umstellen. Auf Zuruf arbeiten ist nur noch der Ausnahmefall. In der Regel muss zwei Wochen vor dem Einsatz ein Angebot da sein. Kollegial und spontan einspringen ist natürlich auch weiterhin gefragt, aber niemand muss sich unter Druck gesetzt fühlen. Wer einen Spontanauftrag ablehnt, bekommt auf keinen Fall etwas abgezogen.

Für Fortbildungen gibt es ja weiterhin nur 75 Euro. Werden die auf die Angebotsgarantie angerechnet?

Nein. Fortbildungstage kommen oben drauf. Und an den 75 Euro arbeiten wir noch, das muss endlich ein ganz normaler Tagessatz werden.

Und wenn ich damit die Prognose überschreite?

Macht nichts. Wenn der rbb über die Garantie hinaus Bedarf hat, spielt die Prognose keine Rolle mehr. Theoretisch wären 365 Tage im Jahr möglich. Die Prognose soll zwar generell weiter gelten, relevant sein wird sie aber vor allem für diejenigen, die keinen Bestandsschutz haben.

Ich habe 90 Tage Angebotsgarantie. Wie viele Tage muss ich freigeben, damit sie mir nichts abziehen?

Wenn du weniger als 90 Tage zur Verfügung stehst, musst du natürlich die Abzüge hinnehmen, denn mehr als anbieten kann und muss der rbb ja nicht. Ansonsten gilt: So lange die Zahl der gesperrten Tage „vertretbar und angemessen“ ist (nicht übertreiben also), kommt es nur auf den richtigen Ablauf an. Wenn du an bestimmten Tagen nicht arbeiten kannst oder willst, musst du das unbedingt rechtzeitig und am besten per Mail bekannt geben. „Rechtzeitig“ kann von Bereich zu Bereich unterschiedlich sein. Bevor der Dienstplan gemacht wird, müssen deine Zeiten das sein. Wer das verpennt, darf sich nicht wundern, wenn er Angebote bekommt, die er gar nicht wahrnehmen kann. Damit der Tag in diesem Fall nicht verfällt, muss man schon sehr gute Gründe haben …

Nämlich?

Vor allem gesundheitliche Gründe, von Beschäftigungsverboten in der Schwangerschaft bis Pflege von Angehörigen. Urlaub natürlich. Im Einzelfall auch gefährliche Einsätze oder sonstige Gründe, für die man nichts kann (als Zeuge vor Gericht, beim Rückflug überbucht, …)

Okay. Aber was, wenn der rbb mich trotz Angebotsgarantie nicht beauftragt?

Dann muss er zahlen. Leider erst nach dem Ende des Jahres und auf Antrag.

Sagen wir mal, dass der rbb sich auch in vielen Jahren noch an das alles hält. Aber was ist, wenn mal meine Bandscheibe nicht mitmacht, ich keine Kamera nicht mehr halten kann – bin ich dann raus?

Nein. So lange jemand arbeitsfähig ist, gilt auch die Angebotsgarantie. Und wer beim besten Willen nicht mehr in seiner eigentlichen Tätigkeit eingesetzt werden kann, sondern nur noch eine eine leichtere Arbeit schafft, bekommt trotzdem den alten Honorardurchschnitt weitergezahlt.

Schon ein komisches Gefühl, für einen so langen Zeitraum zu unterschreiben – bis zu meinem Renteneintritt dauert es noch Jahrzehnte. Jede Wette, bis dahin liegt das Regelaltersgrenze bei mindestens 75 Jahren. Wenn das Datum aus dem Vertrag gilt, bin ich jahrelang ohne Schutz …

Nein, denn im Tarifvertrag ist geregelt, dass man Anspruch auf einen Honorarrahmenvertrag bis zur Regelaltersgrenze hat. Wenn sich die verändert, muss auch der Honorarrahmenvertrag geändert werden.

Und wenn der Tarifvertrag dann gar nicht mehr gilt?

Dann wirkt er zumindest nach, d.h.: die Regeln gelten für den einzelnen weiter. Denkbar ist schon, dass die Tarifparteien ihn einvernehmlich ändern, das kann bei so langen Zeiträumen sogar sehr sinnvoll sein. Wer trotzdem misstrauisch ist, hat nur eine Wahl: Sich in der Gewerkschaft engagieren und selbst dafür sorgen, dass die eigenen Interessen gewahrt bleiben.

Bei mir ist es kompliziert. Ich habe vor einer Weile einen Vergleich mit dem rbb geschlossen. In der Post war bisher nichts. Bekomme ich wegen des Vergleichs keinen Bestandsschutz?

Nein, aber es ist tatsächlich rechtlich komplizierter, deswegen will der rbb alle Fälle mit Vergleichen individuell klären. Das dauert länger und ist natürlich völlig in Ordnung. Aber gerade weil es kompliziert sein kann und es um viel geht, lasst euch gut beraten und unterschreibt nichts, dessen Folgen irgendwie unklar sind. Fragt im Zweifel euren Anwalt. Und wenn ihr wollt, können wir euch gerne beim Gespräch mit dem rbb begleiten.

Muss ich noch etwas wissen?

Na klar, das war jetzt alles stark vereinfacht. Im Tarifvertrag steht noch eine Menge Kleingedrucktes, aus dem sich im Einzelfall auch etwas anderes ergeben kann. Unbedingt selbst lesen, verstehen, ausdrucken und abheften, für alle Fälle. Und wenn es dann immer noch mehr Fragen gibt: Fragt die Freienvertretung.