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Jobsharing in Führungspositionen Ein Fall für zwei

Zwei Professorinnen leiten zusammen einen Lehrstuhl, zwei Managerinnen teilen sich eine Führungsposition bei der Deutschen Bahn. Funktioniert Jobsharing bei Chefs?
Anne Simmenroth und Ildikó Gágyor

Anne Simmenroth und Ildikó Gágyor

Foto: SPIEGEL ONLINE

Anne Simmenroth und Ildikó Gágyor waren ihrer Zeit schon immer ein bisschen voraus. Vor mehr als 25 Jahren studierten sie in Göttingen Medizin - und wurden beide schwanger. Im Studium ein Kind zu bekommen, bedeutete damals noch für viele, das Studium abzubrechen.

Doch die Frauen, beide Jahrgang 1968, wollten beides: "Wir wollten beweisen, dass eine Karriere in der Medizin mit Kindern möglich ist", sagt Gágyor. Und es ging beides. Anne Simmenroth setzte damals mit zwei anderen Müttern im Medizinstudium durch, das Praktische Jahr auch halbtags machen zu können. Das hatte es vorher in Niedersachsen noch nicht gegeben.

Nach dem Studium trennten sich zunächst die Wege der Ärztinnen. Später trafen sie sich wieder am Institut für Allgemeinmedizin der Göttinger Uniklinik. Acht Jahre waren sie dort als Oberärztinnen tätig und habilitierten. Inzwischen leiten sie gemeinsam einen Lehrstuhl.

"Der andere ist das Korrektiv"

Jobsharing, sich also eine Stelle zu teilen, gibt es zwar schon lange, aber nur sehr selten in Führungspositionen. Auch Simmenroth und Gágyor merkten, dass ihre Idee, sich eine Führungsposition zu teilen, nicht überall auf große Begeisterung stieß. Eine Uni antwortete gar nicht, die nächste lud nur eine Bewerberin zum Vorstellungsgespräch ein. Die dritte fand die Idee interessant: die Uni Würzburg, die einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin aufbauen wollte.

Die beiden Frauen setzten sich im Berufungsverfahren gegen die anderen Kandidaten durch. Sie hatten sich gut vorbereitet, ein klares Konzept vorgelegt und ihre Bedingungen miteinander abgestimmt. Sie verhandelten mit dem Dekan über die Anzahl der Stellen, die Räume und die Höhe der Budgets für Forschung und Lehre.

Es sei gut gewesen, sich hier absprechen zu können, vor allem später bei den Neueinstellungen, sagt Anne Simmenroth. Allein wäre die Entscheidung für oder gegen jemanden viel schwieriger gewesen. "Man hat ständig Hilfe beim Treffen von Entscheidungen, der andere ist immer ein kleines bisschen das Korrektiv", sagt Gágyor. Nur, wenn sie beide unterwegs seien und auf bestimmte Anfragen antworten müssten, seien die Absprachen etwas aufwendiger. "Wir bekommen auch nicht unbedingt mit, wie viel Arbeit unsere Mitarbeiter von uns aufgeladen bekommen."

Die halbe Stelle bedeutet für die Frauen aber nicht halbe Arbeit. "Bei Wissenschaftlern zählt man die Stunden nicht", sagt Gágyor. "Wir arbeiten abends, am Wochenende, fahren zu verschiedenen Arbeitstreffen und internationalen Konferenzen. Aber wir haben die Freiheit, über bestimmte Tage frei zu verfügen und auch mal Home Office zu machen."

Bis heute sprechen sich die beiden Chefinnen viel ab, holen sich Rat, verlassen sich aufeinander. "Wir tragen gemeinsam die Verantwortung und niemand schiebt Arbeit auf den anderen ab. Wenn das so wäre, würde das nicht funktionieren", sagt Simmenroth. Es sei gut, sich im Doppelpack auf eine Stelle zu bewerben. "Wenn man sich kennt und weiß, wie man arbeitet, hat das viele Vorteile", sagt Simmenroth. Schwieriger sei es, wenn zwei Leute für eine Stelle zusammengewürfelt würden.

Jakob Schmalöer von Tandemploy arbeitet genau an diesem Problem. Das Berliner Unternehmen bietet eine Software für Unternehmen an, damit deren Mitarbeiter sich für flexible Arbeitsmodelle besser miteinander vernetzen können. Der Algorithmus soll Menschen zusammenbringen, die fachlich und menschlich gut zueinander passen. "Jobsharing funktioniert nur, wenn die beteiligten Personen miteinander klarkommen. Wenn einer Karriere machen will und der andere nicht, dann wird es nichts", sagt Schmalöer.

Svenja Christen von der Berliner Agentur The Jobsharing Hub rät allen, die sich zu zweit auf eine Stelle bewerben, zwar ein gemeinsames Anschreiben zu formulieren, aber zwei Lebensläufe zu verschicken. Wichtig seien den Chefs die individuellen Werdegänge einerseits und das gemeinsame Kompetenzportfolio andererseits.

"Im Anschreiben sollten die Bewerber außerdem deutlich machen, wie sie sich das Jobsharing konkret vorstellen, wer welche Aufgaben übernimmt, wer wann da ist. Außerdem sollten sie klarmachen, warum die geteilte Stelle gewinnbringend für das Unternehmen ist." Wichtig sei es auch, dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass man flexibel sei und auch er das Arbeitsmodell mitgestalten könne.

"Nicht warten, bis die Kinder erwachsen sind, um Karriere zu machen"

Anna-Katharina Schak und Julia Staudt

Anna-Katharina Schak und Julia Staudt

Foto: Deutsche Bahn / Philipp von Reck

Die Managerinnen Julia Staudt, 44, und Anna-Katharina Schak, 36, teilen sich seit zehn Monaten ebenfalls eine Führungsposition bei der Deutschen Bahn. "Wir wollten nicht warten, bis die Kinder erwachsen sind, um Karriere zu machen", sagt Staudt. "Als dann eine Stelle in Vollzeit ausgeschrieben war, haben wir uns einfach ganz frech zusammen darauf beworben." Ein Anschreiben, zwei Lebensläufe. Die Vorstellungsgespräche fanden direkt nacheinander statt.

Neben ihrer geteilten Stellte arbeiten die beiden noch an zusätzlichen Projekten. Deswegen ist jede von ihnen vier volle Tage die Woche da. Eine hat mittwochs frei, die andere freitags. Wird eine von ihnen krank oder ist im Urlaub, vertritt sie die andere. "Man muss bei einer Teilzeitstelle immer auch ein bisschen auf sich selbst aufpassen. Niemand wird kommen und sagen: 'Oh, Sie haben jetzt aber viel zu viel gearbeitet.'"

Bei den Verhandlungen forderten sie das gleiche Gehalt, obwohl Julia Staudt etwas mehr Berufserfahrung hat. "Wir haben uns ja als gleichrangige Personen beworben und hatten vorher auch die gleiche Stellung als Produktmanagerinnen", sagt Anna-Katharina Schak. Das sei auch nie Thema gewesen, sagt Julia Staudt. Viel wichtiger sei, dass sie das Gleiche verdienten und Respekt voreinander und Vertrauen zueinander hätten. "Eine Diva, die immer versucht, für sich das Beste herauszuholen - das würde hier nicht funktionieren."