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Demo gegen Urheberrechtsreform Warmlaufen für den nächsten Acta-Moment

Es ging schon einmal gegen Internetfilter: 2012 halfen europaweite Proteste, das Urheberrechtsabkommen Acta zu stoppen. Nun hoffen die Gegner der geplanten Copyright-Richtlinie auf eine Wiederholung der Geschichte.
Demonstration des Bündnisses "Berlin gegen 13"

Demonstration des Bündnisses "Berlin gegen 13"

Foto: Christoph Soeder/ dpa

Der ganz große Protest gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform soll erst noch kommen, mit Demonstrationen am 23. März in mehreren europäischen Städten. Aber das Warmlaufen hat schon begonnen.

Nach zwei Demonstrationen in Köln an den vergangenen Wochenenden gab es an diesem Samstag nun eine in Berlin. Die Veranstalter sprachen von 3500 Teilnehmern. Manche schätzten, dass es deutlich mehr waren. Sehr viele junge Teilnehmer waren es ganz sicher.

Zentrales Thema: Artikel 13 der geplanten Urheberrechtsrichtlinie. Die Norm würde große Plattformbetreiber wie YouTube, aber auch viele deutlich kleinere Anbieter direkt für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer haftbar machen - und sie deshalb nach Ansicht der Demonstranten in der Praxis dazu verpflichten, Upload-Filter einzusetzen, um das Hochladen geschützter Inhalte zu verhindern.

Wiederholt sich die Geschichte?

Denn die Alternative, das Einholen aller nötigen Lizenzen von allen Rechteinhabern der Welt, halten die Kritiker von Artikel 13 für unrealistisch, vor allem für kleine Anbieter. (Mehr dazu lesen Sie hier.) Auch die teuersten Filter können Urheberrechtsverletzungen nicht zuverlässig von erlaubten Nutzungsformen wie Parodien und Zitaten unterscheiden und würden zu einer Einschränkung der Netzkultur oder gar der Meinungsfreiheit führen, so lautet die eine Befürchtung.

Die andere: Sind Filter erst einmal überall installiert, könnten die zu filternden Inhalte schnell ausgeweitet werden. Voraussichtlich Ende März soll das Plenum des EU-Parlaments final über die Reform abstimmen.

Plakat auf der Demo in Berlin mit der Aufschrift "Article 13 kills free Speech"

Plakat auf der Demo in Berlin mit der Aufschrift "Article 13 kills free Speech"

Foto: Christoph Soeder/ dpa

Die Filterfrage stellte sich schon einmal: Im Februar 2012 gingen bei klirrender Kälte mehrere Zehntausend Menschen in Deutschland auf die Straße, um gegen das geplante internationale Urheberrechtsabkommen Acta zu protestieren. Europaweit waren es bis zu 200.000. Auch damals trieb die Demonstranten die Sorge um, Filter gegen das Hochladen geschützter Inhalte - die damals auf der Ebene der Internetprovider etabliert worden wären - würden eine Sperr- und Zensurinfrastruktur einführen, die große Teile des Internets abdeckt.

Der breite Widerstand sorgte mit dafür, dass das Europaparlament damals Acta ablehnte. Doch trotz einiger Parallelen und gelungenen Auftaktdemonstrationen: Ob sich die Geschichte wiederholen kann, ist längst nicht ausgemacht. Denn es gibt Anzeichen dafür, dass die Urheberrechtsreform - und ihre besonders umstrittenen Artikel 11 und 13 - im europäischen Ausland kein ganz so großes Reizthema (mehr) ist, wie es Acta einst war.

Von 21 geplanten Demonstrationen finden 17 in Deutschland statt

Zwar hatten sich im Laufe des politischen Verhandlungsprozesses Bürgerrechtsorganisationen aus ganz Europa, wissenschaftliche Einrichtungen unter anderem aus Großbritannien und den Niederlanden sowie Internet-Pioniere wie Tim Berners-Lee in die Debatte eingemischt.

Aber von den laut Savetheinternet.info  bisher für den 23. März angemeldeten 21 Demonstrationen finden nur vier in nicht-deutschen Städten statt. Und von den 69 EU-Abgeordneten, die auf Pledge2019.eu  versprochen haben, gegen Artikel 13 zu stimmen, stammt fast die Hälfte aus Deutschland, aber zum Beispiel nur eine einzige aus Frankreich. Für eine Mehrheit im Plenum, mit der die Reform in Gänze verhindert oder noch einmal für Änderungen geöffnet werden kann, ist das zu wenig.

Bei der Abstimmung des Parlaments im vergangenen September über die eigene Verhandlungsposition hatten 438 Abgeordnete für die Vorlage des zuständigen Berichterstatters Axel Voss (CDU) gestimmt, 226 dagegen, 39 hatten sich enthalten. Der jetzt mit der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten ausgehandelte Kompromiss ist in einigen Details verschärft worden. Das könnte durchaus dazu führen, dass sich mehr Abgeordnete als noch im September dagegen aussprechen. Doch für die Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse, für einen echten Acta-Moment, müsste sich eine dreistellige Zahl von Abgeordneten neu positionieren.

Zudem könnte die Drohung der Pledge-Kampagne buchstäblich ins Leere laufen. "Wir werden nur Politiker*innen wählen, die gegen Artikel 13 stimmen" lautet sie mit Blick auf die im Mai anstehende Europawahl. Doch wer geht dann überhaupt wählen? 2014  lag die Wahlbeteiligung europaweit bei nur 43 Prozent, in Deutschland bei knapp 48 Prozent. Am geringsten  war sie hierzulande bei den Unter-35-Jährigen. Gut möglich also, dass viele EU-Parlamentarier den Widerstand der Generation YouTube nicht als wahlentscheidend betrachten und sich von der Pledge-Kampagne entsprechend wenig beeindrucken lassen.

Vielleicht bräuchte es bis Ende März noch eine zweite Pledge-Plattform. Eine, auf der möglichst viele Wahlberechtigte unter 35 Jahren versprechen, am 26. Mai ihre Stimme abzugeben.