Zum Inhalt springen

Coronavirus in Ischgl Ground Zero in den Alpen

In Ischgl hatten sich etliche Touristen mit dem Coronavirus infiziert. Das Kieler Weltwirtschaftsinstitut hat die Bedeutung des Tiroler Orts für die Verbreitung des Virus in Deutschland untersucht - der Befund ist deutlich.
Das Ortsschild von Ischgl (Archivbild)

Das Ortsschild von Ischgl (Archivbild)

Foto: Jakob Gruber/ AFP

Ischgl - das ist inzwischen zum Inbegriff für Profitgier und Verantwortungslosigkeit in Corona-Zeiten geworden. Schon am 5. März kamen die ersten Warnhinweise aus Island, dass in dem Tiroler Ski- und Party-Dorf das Virus ausgebrochen war. In Ischgl  aber ließ man sich noch neun Tage Zeit bis zu den ersten Quarantänemaßnahmen, so lange wurde in Après-Ski-Bars lustig weitergefeiert.

Moralisch ist das Urteil gefällt - nun aber haben Wissenschaftler des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) untersucht, welchen tatsächlichen Einfluss die Rückkehrer aus dem Skiort auf das Seuchengeschehen in Deutschland hatten. Ihr Ergebnis: einen großen. Demnach habe die Studie  Ischgl als "'Ground Zero'" der deutschen Corona-Verbreitung untermauert", heißt es in einer Mitteilung des IfW . Grundlage sind Daten des Robert Koch-Instituts.

Je näher dran, desto stärker betroffen

Deutlich wird der Ischgl-Effekt für die Forscher vor allem an einer Kennziffer: wie weit der Anfahrtsweg von Städten und Gemeinden in Deutschland nach Ischgl ist - und wie hoch dort später die Infektionsrate war.

"Schon ein um zehn Prozent kürzerer Anfahrtsweg nach Ischgl erhöht die Infektionsrate im Durchschnitt um neun Prozent", so IfW-Präsident Gabriel Felbermayr. "Andersherum bedeutet das auch: Lägen alle deutschen Kreise so weit weg von Ischgl wie der Kreis Vorpommern-Rügen, gäbe es in Deutschland fast 50 Prozent weniger Infektionen mit dem Coronavirus." Der Einfluss, den die Nähe zu Ischgl auf das Infektionsgeschehen hat, änderte sich demnach auch nicht mit der Zeit - je näher, desto stärker bleiben Städte und Kreise betroffen.

Einen ähnlichen Effekt wie den von Ischgl habe man bei keinem anderen Corona-Hotspot festgestellt. Weder beim Elsass noch beim deutschen Heinsberg lasse sich Nähe so klar in Ansteckungsrisiko übersetzen.

Die IfW-Forscher sehen mit ihrer Studie die These bestätigt, dass die langsame Reaktion auf die ersten Hinweise in Ischgl "fatal" gewesen sei. Daten vom 20. März zeigten, dass ein Drittel aller Fälle in Dänemark und ein Sechstel aller Corona-Infektionen in Schweden auf den Skiort zurückzuführen seien.

Die Skisaison wurde in Ischgl erst am 14. März beendet. Bis dahin haben sich wohl Hunderte Touristen dort mit dem Virus infiziert und es nichts ahnend in ihre Heimatländer verschleppt. Wie viele genau es waren, ist unklar. Da die Hälfte der Ischgl-Urlauber aus Deutschland kommen, macht sich der Effekt hier aber besonders bemerkbar.

amp