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3. Liga Auf Abstand

Die 3. Liga soll trotz Corona bald weiterspielen. Doch einige Klubs können die geforderten Sicherheitsmaßnahmen nicht erfüllen - in Halle wurde das Stadion gesperrt. Wie gehen Verein und Liga damit um?
Foto: Holger John/ imago images/ Viadata

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand ist in der Coronakrise früh mit seinem strengen Kurs aufgefallen. Der 63-Jährige war im März der erste Lokalpolitiker, der Schulen und Kitas schließen ließ. Als damals einzige deutsche Großstadt rief Halle den Katastrophenfall aus. Zwischenzeitlich durften sich Menschen im Park nicht einmal zum Bücherlesen niederlassen. Die Statistik scheint Wiegand dabei recht zu geben. Die Infektionszahlen in Halle sind vergleichsweise gering, auf 240.000 Einwohner kamen bis jetzt 325 Erkrankte. Aktuell sind es noch 77.

Nun ist der parteilose Wiegand zu einer Figur in einem Zwist geworden, der über die Stadtgrenzen hinausreicht. Den strengen Kurs verfolgen Stadt und Gesundheitsamt Halle auch im Streit über den Fortgang der Fußballsaison in der 3. Liga. Am Montag stimmten die Vereine zwar mehrheitlich für das Weitermachen. Doch die Liga ist gespalten: Von 20 waren zehn Klubs dafür und acht dagegen, bei zwei Enthaltungen. Der für die Liga zuständige Deutsche Fußball-Bund (DFB) will dieses Meinungsbild nun für das weitere Vorgehen nutzen.

Hallescher FC wollte nicht weiterspielen

Der Hallesche FC war einer der Klubs, die nicht weiterspielen wollten. Der Tabellen-Sechzehnte hatte das schon Tage vor der Abstimmung kundgetan. Stunden vorher bekam der Verein zusätzliche Rückendeckung vom Stadtoberhaupt. Auch sogenannte Geisterspiele seien demnach im Halleschen Stadion derzeit nicht denkbar, hieß es. Die Infrastruktur würde den Infektionsschutz nicht hergeben. "Fußball ist eine Kontaktsportart. Infekt-Übertragungen sind hier in besonderem Maße möglich", sagt Wiegand im Gespräch mit dem SPIEGEL. Eine Ausnahme für den Profifußball, ob bei Kontaktbeschränkung oder Quarantäneregeln, hält er nicht für vertretbar.

Bernd Wiegand, Halles Oberbürgermeister

Bernd Wiegand, Halles Oberbürgermeister

Foto:

Hendrik Schmidt/ dpa

"Im Falle einer Infektion müssten sich der Spieler und alle Kontaktpersonen in Quarantäne begeben. Darüber entscheidet das Gesundheitsamt auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes - darüber entscheiden nicht der DFB und das Papier seiner Task Force. Es wäre fatal, wenn infizierte Personen das Virus weiter in die Stadt tragen."

Das städtische Gesundheitsamt hat das Stadion für nicht benutzbar erklärt. Es wird hier bis auf weiteres also nicht einmal Geisterspiele geben. Das stellt den Drittligaklub Hallescher FC vor ein Problem.

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Ende Mai soll es weitergehen, die Saison dann bis Ende Juni oder Juli mit englischen Wochen durchgezogen werden. Elf Partien müssen von den Vereinen noch jeweils gespielt werden. Halle hätte noch fünf Heimspiele.

Doch der Verein darf seit Mitte März nicht trainieren, während die Konkurrenz das Training in Kleingruppen teilweise schon wieder aufgenommen hat.

Beim Konkurrenten FC Carl Zeiss Jena ist die Lage ähnlich. Auch in Jena hält der Krisenstab Drittligafußball für nicht systemrelevant. Das Stadiongelände darf der Verein zurzeit nicht nutzen. Training und Spielbetrieb sind nicht möglich.

"Das Stadion wird auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes betrachtet", sagt Wiegand. Eine Delegation habe dahingehend den Sportpark besichtigt. "In den Kabinen und Sanitäreinrichtungen können die Regeln des Abstandsgebotes nicht umgesetzt werden. Es ist also praktisch nicht möglich, den Sicherheitsabstand von mindestens 1,50 Metern einzuhalten."

Das dürfte sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern, sagt Wiegand. "Das Abstandsgebot von 1,50 Metern ist zwingende Voraussetzung, garantiert auch noch mehrere Monate lang. Ohne große bauliche Veränderungen können wir das Stadion nicht freigeben."

Im Verein suchen sie nun nach Alternativen. "Ein Ausweichen in ein anderes Stadion ist für uns keine Option", sagt HFC-Präsident Jens Rauschenbach dem SPIEGEL. Er wüsste in der Region auch nicht wohin, sagt er. Die kleineren Stadien im Umkreis erfüllten die Voraussetzungen vermutlich noch weniger als das eigene. Und in Leipzig müssen sie demnächst womöglich selbst die Saison zu Ende bringen.

Bliebe noch, den eigenen Sportpark aufzurüsten. "Wir haben nicht die Bedingungen wie der FC Bayern. Mit viel Geld und viel Aufwand könnte man das meiste lösen und die Vorgaben erfüllen", sagt Rauschenbach. In einem Containerdorf an der Arena etwa könnten zusätzliche Umkleiden und Duschen untergebracht werden – mit dem gebotenen Abstand. Doch das würde nach Schätzung der Stadt teuer werden - rund 800.000 Euro.

Unterstützen kann die Stadt den Verein nicht. Halle muss selbst über 250 Millionen Euro Altschulden abtragen. Die Mieten für das Stadion hat die Stadt zwar erst einmal ausgesetzt. Eine Investition in den Profifußball aber wäre freiwillig.

DFB verweist auf Zulassungsvertrag und Verpflichtung zum Spielbetrieb

Der Verein müsste die zusätzliche Infrastruktur also selbst stemmen. "Ob das funktioniert und finanziell leistbar ist, kann ich Ihnen noch nicht sagen", sagt HFC-Präsident Rauschenbach. Er hatte schon vor dem Gutachten der Stadt den wirtschaftlichen Sinn der Saisonfortführung infrage gestellt. Sportlich könnte der Verein an den verbleibenden Spieltagen noch auf einen Abstiegsplatz rutschen.

Beim DFB verweist man in der Stadionfrage auf die eigene Satzung. "Es ist satzungsgemäß Aufgabe des DFB, die Durchführung des Spielbetriebs sicherzustellen. Darüber hinaus regelt der Zulassungsvertrag in der 3. Liga Rechte und Pflichten der Vertragspartner. Der DFB verpflichtet sich hierin, einen Spielbetrieb anzubieten, die jeweiligen Klubs verpflichten sich, am Spielbetrieb teilzunehmen", sagte ein DFB-Sprecher dem SPIEGEL. Dass eine Teilnahme am Spielbetrieb ausgeschlossen werden kann, weil gegebenenfalls die eigene Heimspielstätte nicht zur Verfügung steht, ist daraus nicht abzuleiten. Ein Verein könnte damit einen Umzug oder eine Investition wohl nicht aus Prinzip ablehnen.

DFL-Solidarfonds soll von Spiel zu Spiel ausgezahlt werden

Der DFB hat die sportliche Bestrafung möglicher Insolvenzen zunächst ausgesetzt. Ob sich ein Verein aber mittelfristig wieder erholen kann, wenn er jetzt wegen Geisterspielen erhebliche Ausgaben hat? Die Abbruchbefürworter stellen das in Frage. Die 3. Liga ist keine, in der man Schulden nebenbei abbaut. Vergleichsweise geringe Einnahmen stehen zumeist Überinvestitionen gegenüber. Im Schnitt wurde in der vergangenen Spielzeit hier 1,5 Millionen Euro Minus gemacht – das war vor der Krise.

Den Mehrkosten, die jetzt entstehen, haben die Klubs wenig entgegenzusetzen. Im Schnitt können sie in Halle pro Spiel sonst auf 8000 Zuschauer setzen. Ein Solidarfonds der DFL über 300.000 Euro soll zunächst für regelmäßige Coronatests anteilig ausgezahlt werden, später nach jedem Spieltag ebenfalls anteilig. So sollen nach DFB-Angaben zu erwartende Zusatzaufwendungen und Einnahmeausfälle aufgefangen werden.

Beim HFC hat sich Präsident Jens Rauschenbach inzwischen anwaltliche Unterstützung geholt. Dabei geht es auch um Haftungsfragen – und die Frage, was der Ausrichter von Vereinen im Ausnahmezustand tatsächlich verlangen kann. "Was vonseiten des DFB auch für uns zumutbar ist, das lassen wir aktuell auch von Juristen prüfen."

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