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Hermann-Josef Tenhagen

Steigende Zinsen und hohe Preise Reicht es jetzt noch für die eigene Immobilie?

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Millionen Menschen träumen vom eigenen Heim – doch mit höheren Zinsen wird dieser Traum immer teurer. Wie Sie herausfinden, ob Sie sich trotzdem noch ein Haus oder eine Wohnung leisten können.
Einfamilienhäuser in der Region Hannover

Einfamilienhäuser in der Region Hannover

Foto: Julian Stratenschulte / dpa

Die Klagen hört man seit Jahren – doch sie werden lauter: Immer weniger Menschen könnten sich die eigenen vier Wände noch leisten – vor allem in Ballungszentren. Trotzdem wird seit zehn Jahren munter weiter gekauft, und die Preise steigen immer höher .

Damit könnte es bald vorbei sein. Denn eine wesentliche Voraussetzung entfällt: Rekordtiefe Zinsen. Seit einem Jahr steigen die Zinsen wieder, seit Jahreswechsel in schnellen Schritten. Damit wird die Finanzierung drastisch teurer. Bringt das die Trendwende auf dem Wohnungsmarkt?

Die Zahlen schrecken

Die neue Kombination von Zins- und Preisanstieg müsste im Prinzip Kunden abschrecken. Nehmen wir ein fiktives Beispiel: Otto Baumann möchte eine Immobilie für 500.000 Euro erwerben (inklusive aller Nebenkosten) und hat immerhin 100.000 Euro Eigenkapital angespart. Dann braucht er noch 400.000 Euro Kredit. Das sind aktuell Standardgrößen für Wohnungskäufe.

Otto Baumann ist spät dran. Die Preise sind zwar in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Doch weil parallel die Zinsen fielen, haben sich die monatlichen Raten für die Finanzierungen bis ins vergangene Jahr hinein kaum geändert. Im vergangenen Sommer hätte er im Durchschnitt seinen Kredit noch für unter einem Prozent Zinsen abschließen können .

Das ändert sich erst jetzt: Die Zinsen sind bei deutlich über zweieinhalb Prozent angekommen. Die durchschnittliche Monatsrate eines Darlehens ist seit Frühjahr vergangenen Jahres um 120 Euro gestiegen auf nun 1270 Euro – also um zehn Prozent mehr. So die Zahlen von Deutschlands größtem Kreditvermittler Interhyp.

Andere Baufinanzierungsvermittler wie Hüttig & Rompf rechnen vor, dass ihre Kunden nach dem Preisanstieg und mit dem Zinsanstieg jetzt im Schnitt 71 Monate ausschließlich für den Kredit für die eigenen vier Wände arbeiten müssten, vor zehn Jahren seien die Kunden mit 50 Monaten Arbeit ausgekommen.

Die Zinskeule

Wie sehr die Zinskeule noch zuschlagen kann, zeigt auch das folgende Rechenbeispiel. Bei einem Zinssatz von unter einem Prozent, wie er in den vergangenen Jahren durchaus vorkam, und einer anfänglichen Tilgung von drei Prozent im Jahr, die damals viele Banken vorschlugen, hätte unser Kunde Otto Baumann für die 400.000 Euro Kredit 16.000 Euro pro Jahr an Zins und Tilgung aufbringen müssen. Steigen die Zinsen im Laufe dieses Jahres auf drei Prozent und die Bank verlangt weiterhin drei Prozent Tilgung, sind stattdessen 24.000 Euro im Jahr fällig – auf den Monat gerechnet also statt bisher 1330 Euro nun satte 2000 Euro. Das können nur wenige Haushalte aufbringen. Das Einkommen müsste über dem Durchschnitt liegen.

Wer vergangenes Jahr eine 70-Quadratmeter-Wohnung kaufte und durchschnittlich verdiente, musste in Berlin fast die Hälfte seines Nettoeinkommens für die Raten ausgeben. In München sogar mehr als die Hälfte . Und die meisten Käufer wollen mehr als 70 Quadratmeter.

Das Beispiel Otto Baumann ist pointiert, aber nicht unrealistisch. Schon bei 300.000 Euro Kredit und den aktuell noch bei rund 2,5 Prozent liegenden Zinsen könnten die Raten Monat für Monat um 375 Euro steigen, rechnete mir die Interhyp aus den ihr vorliegenden Zahlen diese Woche vor.

Wo bleibt der Preiseffekt?

Bislang aber bremsen die steigenden Zinsen die Hauspreise noch nicht: Die durchschnittliche Darlehenssumme stieg im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr um 40.000 Euro auf nunmehr rund 390.000 Euro, so Interhyp-Vorstand Miriam Mohr. Wie geht das? Wieso nehmen Zahl und Volumen der Baukredite immer noch zu?

Bei der Zahl der Baukredite ist die Antwort noch einfach. Viele Hausbesitzer schließen jetzt einen neuen Kreditvertrag, ein sogenanntes Forwarddarlehen ab , um die Finanzierung, die sie vielleicht 2014 begonnen haben, auch 2024 noch zu günstigen Bedingungen fortsetzen zu können. Mit einem Forwarddarlehen kann man sich jetzt die aktuell immer noch relativ günstigen Zinsen gegen einen Preisaufschlag für die Zukunft sichern.

Großstadtblick

Bei der Frage nach dem zunehmenden Volumen ist die Antwort schwieriger. Manchmal verstellt der Großstadtblick die Aussicht auf den Gesamtmarkt. In Kleinstädten und auf dem Land waren und sind Immobilien deutlich preiswerter zu erwerben. Im Bundesschnitt muss ein Durchschnittsverdiener nur 20 Prozent seines Einkommens für den Kauf einer 70-Quadratmeter-Wohnung aufwenden – nicht die Hälfte wie in Berlin oder München. So ist der Anteil der Immobilienbesitzer außerhalb der Metropolen traditionell deutlich höher. In Kleinstädten wohnen knapp 60 Prozent in der eigenen Immobilie, davon ein Großteil in Einfamilien- und Reihenhäusern. In Großstädten nur 30 Prozent, in Berlin noch deutlich weniger.

Die Rolle der Kapitalanleger

Genauso wichtig: Vor allem in Großstädten scheinen Kapitalanleger einen immer größeren Teil des Wohnungsmarktes zu übernehmen – also diejenigen, die in den gekauften vier Wänden gar nicht selbst leben wollen, sondern sie vermieten und vielleicht in einigen Jahren weiterverkaufen wollen. Nicht nur in extremen Fällen wie in Frankfurt am Main, wo Hochhauswohnungen nach Berichten örtlicher Medien manchmal fast weitgehend ins Ausland verkauft werden – Wohnungen, in denen dann oft niemand lebt, kein Käufer und kein Mieter .

So toll treiben es die meisten Wohnungskaufenden Kapitalanleger natürlich nicht. Bei den Vermittlern von Hüttig & Rompf heißt es, die Zahl der Kapitalanleger unter ihren Kreditkunden habe sich in zehn Jahren auf 30 Prozent verdoppelt. Und bei Babyboomern hält der Trend zur Zweitimmobilie an – insbesondere bei jenen Menschen, die ihr Geld nicht an die Börse tragen wollen.

Hinzu kommen institutionelle Investoren, die eine immer wichtigere Rolle spielen im deutschen Wohnungsbau. Zuletzt konnte man das schön im Januar beobachten, als die Baubranche aufheulte, weil die KfW-Förderung für die Standardimmobilie Energiesparhaus 55 wegfiel. Dividiert man die gezahlte Förderung durch die damals genannte Zahl der Anträge, wird klar, dass es bei den Anträgen um jeweils acht Wohnungen im Schnitt ging. Der einzelne Bauherr war am Fördertopf eher die Ausnahme.

Handlungsoptionen

Was heißt das nun konkret für alle, die jetzt noch kaufen wollen?

  • Baufinanzierung wird deutlich teurer. Bevor Sie anfangen zu träumen, rechnen Sie aus, wie viel Kredit Sie sich tatsächlich leisten können. Nutzen Sie dafür gern den »Finanztip«-Rechner .

  • Wenn Sie eine Zweitimmobilie zur Vermietung kaufen wollen, rechnen Sie noch mal durch, wie hoch die Mieteinnahmen sein sollten, die Sie zur Finanzierung brauchen. Und dann prüfen Sie, ob solche Mieteinnahmen bei Ihrer geplanten Immobilie überhaupt erreichbar sind. Nutzen Sie dafür den Mietspiegel der Kommune und die Angebotspreise auf Portalen wie Immoscout und Immowelt. Meine Faustformel: Nach 25 Jahren sollte die Kaltmiete den Preis der Wohnung finanziert haben. Liegt die erzielbare Kaltmiete bei 1000 Euro, sollte die Immobilie also nicht mehr als 300.000 Euro kosten (1000 Euro mal 12 Monate mal 25 Jahre).

  • Wenn Sie kaufen, dann lassen Sie sich unbedingt von einem Baufinanzierungsvermittler ein Finanzierungsangebot machen  – gehen Sie nicht bloß zu Ihrer Hausbank.

  • Prüfen Sie, ob der Vermittler die Fördertöpfe auch alle berücksichtigt hat. Insbesondere für die Sanierung von Altbauten gibt es Förderung , von der Bezahlung für den Energieberater über 45 Prozent Zuschuss beim Austausch der alten Ölheizung bis zu preiswerten Krediten und Zuschüssen für die energetische Komplettsanierung.

  • Gehen Sie mit einem solchen Finanzierungsplan dann auch zu Ihrer Hausbank. Lassen Sie sich dort ein Vergleichsangebot machen . Wenn die Hausbank nicht mithalten kann, haben Sie ein günstiges Angebot über den Vermittler gefunden. Wenn sie mitgeht, haben Sie nicht nur eine Finanzierung bei der vertrauten Bank, sondern auch die Sicherheit, dass dieses Angebot wirklich günstig ist.

Eines aber ist mir sehr wichtig: Wenn das Geld für eine Immobilie nicht reicht, dann reicht es nicht. Lassen Sie sich nicht von Ihren Wünschen verführen. Und verheben Sie sich nicht, indem Sie zu optimistisch kalkulieren. Entscheiden Sie lieber, worauf Sie verzichten können bei Quadratmetern und Lage. Auf dem Land ist es immer noch deutlich preiswerter: immer eine Möglichkeit, wenn es denn Schule, Krankenhaus und Bahnanschluss gibt. Vielleicht ist der Traum vom eigenen Balkon aber auch ausgeträumt.