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Meinung Renminbi als Leitwährung

Chinas Angriff auf die Allmacht des Dollars

Sino-us trade war,Trade war between China and the us, yuan VS dollar,Chinese flag and American flag Getty ImagesGetty Images Sino-us trade war,Trade war between China and the us, yuan VS dollar,Chinese flag and American flag Getty ImagesGetty Images
Kampf der Währungen: Ostasiatische Länder könnten ihre großen Dollar-Reserven bald in Renminbi tauschen
Quelle: Getty Images
Die Abhängigkeit vom Dollar ist China schon lange ein Dorn im Auge. Seit Ausbruch der Corona-Krise wertet der Renminbi gegenüber dem Dollar plötzlich kräftig auf. Der Welt könnte eine neue Leitwährung bevorstehen – doch das größte Hindernis liegt ausgerechnet in Chinas Wirtschaft.

Worum geht es

Die führende Weltwirtschaftsmacht USA wankt unter den Lasten eines Virus. Die große Krise wurde zwar mit einem historischen Rettungsprogramm eingedämmt. Doch die Staatsverschuldung wird 2020 um gut 20 Prozentpunkte auf rund 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen.

Den größten Teil der neu ausgegebenen Staatsanleihen hat die Zentralbank Fed gekauft. Der President-Elect Joe Biden hält bereits weitere Ausgabenprogramme für nötig.

Prof. Dr. Gunther Schnabl lehrt an der Universität Leipzig Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen
Der Autor: Prof. Dr. Gunther Schnabl lehrt an der Universität Leipzig Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen
Quelle: privat

Anders in China: Das Virus scheint dort längst unter Kontrolle. Die Wirtschaft ist wieder angelaufen, und die Staatsverschuldung ist nur um zehn Prozentpunkte auf 66 Prozent des BIP gestiegen.

Die Bilanz der Peoples Bank of China ist stabil, während die Regierung mit dem Freihandelsabkommen RCEP ihren Führungsanspruch in Ostasien zelebriert. Wird bald Chinas Währung, der Renminbi, den Dollar als Leitwährung herausfordern?

Der Dollar wurde Anker- und Reservewährung

Dass derzeit der Dollar unbestritten die globale Leitwährung ist, hat historische Gründe. Auf ihm wurde 1944 die neue Weltwährungsordnung, das Bretton-Woods-System, aufgebaut. Der Dollar bekam eine feste Parität zum Gold und diente als Ankerwährung.

Weil die Zentralbanken an der Peripherie Dollar brauchten, um ihre Währungen an den Dollar zu binden, wurde er auch zur Reservewährung. Weitete die US-amerikanische Zentralbank durch den Ankauf von Staatsanleihen die Geldmenge aus, kam der Dollar unter Abwertungsdruck.

Die anderen Zentralbanken mussten Dollar kaufen, um den Wechselkurs zu stabilisieren. Sie finanzierten so die Staatsausgaben der USA mit. Frankreichs Präsident Charles de Gaulle beklagte das „exorbitante Privileg“.

Als die USA den Vietnamkrieg über die Notenpresse finanzierten, häuften sich weltweit in den Zentralbanken Dollar an, sodass die Inflation stieg. Die Deutsche Bundesbank stellte deshalb schließlich die Dollar-Käufe ein und ließ die Deutsche Mark aufwerten. Andere Länder folgten, und das System kollabierte.

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In Europa entwickelte sich fortan die stabile Mark zur Anker- und Reservewährung. Als Frankreich den begehrten Leitwährungsstatus an Deutschland verloren sah, drang es auf die Einführung des Euro.

Die meisten asiatischen Währungen blieben hingegen dem Dollar treu. Als sich China 1994 für internationale Transaktionen stärker öffnete, band es den Renminbi eng an den Dollar.

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Seither ist in Ostasien ein informeller Dollar-Standard herangewachsen. Dieser beruht darauf, dass viele ost- und südostasiatische Staaten (mit Ausnahme von Japan) ihren Wechselkurs gegenüber dem Dollar stabilisieren.

Das bringt nicht nur Sicherheit für den Handel mit den USA, sondern schafft auch ein hohes Maß an Wechselkursstabilität innerhalb der Region.

Die ist für die intensive Arbeitsteilung wichtig, die das jüngste Freihandelsabkommen weiter vertiefen wird. Oft sind südostasiatische Unternehmen die Zulieferer für chinesische Unternehmen, die in die USA und nach Europa exportieren.

Renminbi steht wie ein Fels in der Brandung

China kommt aus drei Gründen eine zentrale Rolle in Ostasien zu. Erstens ist die Wirtschaft groß und stabil. Zweites wächst China im Gegensatz zu Japan seit den 1990er-Jahren stark. Drittens hat die enge Dollar-Bindung des Renminbi die Region stabilisiert.

Während in der Asienkrise (1997/98) die Nachbarwährungen abstürzten, trug Chinas Festhalten am Dollar maßgeblich zur Erholung der Region bei. Auch in der Corona-Krise steht der Renminbi wie ein Fels in der Brandung.

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Dass er noch nicht zur – zumindest regionalen – Leitwährung aufgestiegen ist, liegt auch daran, dass Chinas Kapitalmärkte streng reguliert und durch Kapitalverkehrskontrollen abgeschottet sind. Hinter einer internationalen Währung stehen freie und hoch entwickelte Kapitalmärkte. Kaum ein internationaler Anleger würde seine Reserven Chinas derzeitigem Finanzsystem anvertrauen.

Nun verdichten sich aber die Zeichen, dass der „Wiederaufbau“ der USA ebenso wie die teure Rettung des Klimas maßgeblich mithilfe der Fed finanziert werden soll. Das wird die Stabilität des Dollar weiter untergraben.

Die mit einer anhaltend lockeren Geldpolitik einhergehende finanzielle Repression wird die US-Finanzmärkte schwächen. Hierin liegt die Chance für den Renminbi, wie die Deutsche Bundesbank in den 1970er-Jahren vorgemacht hat.

Sie hielt die geldpolitischen Zügel straffer als die Fed, sodass die DM aufwertete und an internationaler Bedeutung gewann. Ende der 1970er-Jahre mussten die USA Anleihen in DM und Schweizer Franken emittieren, was den fragilen Weltwährungsstatus des Dollar symbolisierte.

Europa hatte sich längst vom Dollar entkoppelt, und die europäischen Zentralbanken kauften keine amerikanischen Staatsanleihen mehr.

Der Aufstieg des Renminbi

China ist die Abhängigkeit vom Dollar schon lange ein Dorn im Auge. Nur unwillig hat man die Kriege der USA und die Rettungspakete für die Wall Street mitfinanziert. Der Renminbi wertet nun seit Ausbruch der Corona-Krise gegenüber dem Dollar auf.

Verstetigen sich die Aufwertungserwartungen über eine längere Zeit, gäbe es für die ostasiatischen Länder einen Anreiz, ihre großen Dollar-Reserven in Renminbi zu tauschen. Damit könnte die Etablierung des Renminbi als regionale Reserve- und Ankerwährung endlich an Fahrt gewinnen.

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Als Achillesferse bleibt die hohe Verschuldung der chinesischen Unternehmen in Höhe von 160 Prozent des BIP. Zuletzt haben Zahlungsausfälle großer Unternehmen für Aufsehen gesorgt.

Wenn der Renminbi zur regionalen Leitwährung aufsteigt, könnte die Stützung dieser Unternehmen mit Staatsanleihen finanziert werden, die die Nachbarländer kaufen. China könnte sich dann von der „unbegrenzten Kreditlinie“ der USA ein großes Stück abschneiden.

Prof. Dr. Gunther Schnabl lehrt an der Universität Leipzig Wirtschaftspolitik und internationale Wirtschaftsbeziehungen.

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China schließt sich mit 14 Asien-Pazifik-Staaten zur größten Freihandelszone der Welt zusammen. Das hat Folgen für Europa und den Welthandel. Der Chef-Marktanalyst von CMC Markets, Jochen Stanzl, erklärt, was Anleger jetzt beachten müssen.

Quelle: WELT/Dietmar Deffner

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