Die Fomo ist wieder groß, die fear of missing out, die Angst etwas zu verpassen. Sie kommt immer auf, wenn viele über etwas Neues reden, man selbst aber (noch) nicht Teil davon ist. Vergangenes Wochenende schwappte Fomo durch alle deutschen Social-Media-Kanäle: Überall twitterten, facebookten und instagramten Menschen über eine App namens Clubhouse. Angeblich jetzt das große Ding. Aber wie es sich für einen guten Club gehört, kommt man dort nur mit Einladung hinein, zumindest vorerst.

Wir erklären, was den Hype um Clubhouse ausmacht und ob diese App Plattformen wie Instagram, Twitter oder Facebook den Rang ablaufen könnte.

Was ist Clubhouse?

Bei Clubhouse geht es allein um Audioinhalte. Es gibt also keine Bilder, keine Videos und keine geschriebenen Texte und es gibt auch keinen Feed. Den Kern der App machen sogenannte Räume aus, rooms, in denen so etwas wie digitale Podiumsdiskussionen stattfinden. Es gibt eine Bühne mit Speakern – das sind Nutzerinnen und Nutzer, die etwas sagen können, wenn sie ihr Mikro einschalten – und ein Publikum. Außerdem gibt in den Räumen Moderatoren, die Personen im Publikum, die sich melden, auf die Bühne heben und ihnen das Wort erteilen können.

Kommentare oder Likes gibt es bei Clubhouse auch nicht, soziale Funktionen sind aber trotzdem eingebaut. Alle User haben ein Profil, und wenn man einem Profil folgt, sieht man, ob der- oder diejenige in einem Raum ist. Auf diese Weise können schnell sehr viele Userinnen einen Raum füllen, Reichweiten von tausend Zuhörerinnen sind keine Seltenheit. User mit gemeinsamen Interessen können sich darüber hinaus auch in sogenannten Clubs organisieren: Das bedeutet Räume in einem Kalender zu planen und anzukündigen, eine Sendung quasi.

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Was ist das Besondere daran?

Clubhouse bringt das Twitch-Gefühl (jeder kann zum Sender werden), kombiniert es mit der persönlichen Ansprache in Podcasts und der Themenoffenheit von Reddit. Somit erinnert die App an einen digitalen Speakers' Corner, einen öffentlichen Platz, der dem Meinungsaustausch dient.  

Thematisch gibt es bei Clubhouse keine Grenzen, bisher dominieren aber Start-up-Gründerinnen, Influencer und Social-Media-Managerinnen mit ihren Interessen; entsprechend finden sich Talks zu Firmengründungen, Venture Capital und High Performers. Seit dem plötzlichen Hype geht es aber auch oft um Clubhouse selbst.

Interessant werden die Gespräche derzeit durch die Personen, die sie führen. Am Montagmorgen etwa sprachen der Sänger Johannes Strate (Revolverheld), die Moderatorin Dunja Hayali und einige Social-Media-Experten miteinander, während man in einem anderen Talk Tarek Müller, dem Mitgründer des Onlinehandels About You, zum Thema E-Commerce lauschen konnte. Unter den Userinnen der App sind Stars wie Rapper Drake oder Paris Hilton ebenso wie FDP-Chef Christian Lindner oder die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer.

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Wie komme ich rein?

Derzeit öffnet nur eine Einladung das Clubhouse. Sie muss von einem bereits registrierten Nutzer kommen, jeder kann aber nur eine begrenzte Zahl von Leuten einladen. Die Einladung funktioniert per Handynummer – wie bei WhatsApp ist der Account an die Nummer gebunden. Ebenfalls notwendig zur Nutzung ist derzeit ein iPhone, für Android gibt es die App noch nicht.

Die App soll jedoch nicht auf Dauer per Einladung funktionieren, wahrscheinlich kann sich bald jede und jeder anmelden. Die Gründer sagen, es sei für das noch kleine Team hinter der App einfacher, mit einer nur langsam wachsenden Userbasis umzugehen. Genau dieser exklusive Zugang dürfte allerdings stark dazu beigetragen haben, dass der aktuelle Hype überhaupt entstanden ist. Da nun plötzlich so viele Mitglieder einer bestimmten Blase über diese App sprechen, kann vermutlich bald nicht mehr von langsamem Wachstum gesprochen werden.

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Wer steckt hinter Clubhouse?

Alpha Exploration heißt die Firma, die die App entwickelt hat, Paul Davison und Rohan Seth (ein ehemaliger Google-Mitarbeiter) sind die beiden Gründer. Die App kam im Frühjahr 2020 auf den Markt und gewann sogleich ein Investment von mehr als 10 Millionen Dollar. Zu diesem Zeitpunkt wurde die App trotz nur weniger Tausend Nutzer bereits auf etwa 100 Millionen Dollar geschätzt. Die App ist immer noch im Beta-Stadium (Version 0.1.24), Ende Dezember hatte sie 600.000 Nutzerinnen und Nutzer.

Wie das Geschäftsmodell aussieht, mit dem das Unternehmen hinter der App langfristig Geld verdienen könnte, ist noch unklar. Audiowerbung, die den Talks vorgeschaltet wird? Oder werden die Daten der Nutzerinnen zum Kapital des Unternehmens? Das hängt eng mit dem Datenschutz der App zusammen.

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Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

So richtig gut sieht es mit dem Datenschutz bei Clubhouse nicht aus. Schon bei der Einrichtung fragt die App nach Zugriff auf das Smartphone-Adressbuch. Noch lässt sich das ablehnen, aber spätestens, wenn man Freunde einladen will, muss man der App Zugriff auf das Adressbuch geben. Somit landen alle Nummern auf den Servern der Firma. Auf diese Weise werden quasi Schattenprofile von hochgeladenen Kontakten angelegt, die die App selbst gar nicht auf ihrem Telefon haben. (Wer WhatsApp nutzt, tut so etwas übrigens schon seit Jahren – eigentlich müsste man dafür jeden Kontakt um Erlaubnis fragen.) Clubhouse sammelt also jede Menge persönliche Daten, laut der eigenen Datenschutzerklärung darf das Unternehmen diese auch weitergeben.

Außerdem wird jedes Gespräch aufgezeichnet, allerdings verschlüsselt. Das dient laut Alpha Exploration nur der Untersuchung von Beschwerden. Wenn keine Beschwerde über einen Raum eingeht, während das Gespräch läuft, werde die Aufnahme direkt gelöscht. Wie bei anderen Social-Media-Plattformen auch treten Userinnen bei Clubhouse weitgehend Rechte an den von ihnen erstellten Inhalten ab.  

Die Datenschutzerklärung der App erwähnt die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) an keiner Stelle. Auch wenn der Dienst seinen Sitz in den USA hat, muss er sich aber an die Regeln der DSGVO halten, weil er die personenbezogenen Daten von EU-Bürgern verarbeitet (Marktortprinzip).

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Wie geht Clubhouse mit bedenklichen Inhalten um?

Der Umgang mit Beschwerden ist eine weitere Herausforderung für das Unternehmen. Anders als Bilder oder Texte können Audioinhalte nicht so schnell von einem Moderationsteam geprüft werden. Alles muss angehört werden – und das dauert. Es ist unwahrscheinlich, dass das kleine Start-up das bisher vernünftig leisten kann. Und so gibt es auch schon zahlreiche Beschwerden über Rassismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit in der App. Clubhouse versprach Besserung und hat deshalb Richtlinien eingeführt, die Hatespeech verhindern sollen. Das ist zwar gut, doch weil jeder jederzeit Audio live streamen kann, bleibt das Missbrauchsrisiko hoch – man denke an den Anschlag in Christchurch im Jahr 2019.

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Jetzt mitmachen – oder ist der Hype bald vorbei?

Spannend ist der Ansatz von Clubhouse auf jeden Fall. Selten war es so einfach, so vielen interessanten Gesprächen zuhören zu können, ohne dafür ein Messeticket zu kaufen oder eine Podiumsdiskussion besuchen zu müssen.

Allerdings gibt es viele Beispiele für Apps, die als das nächste große Ding gehandelt wurden. So gab es vor etwa drei Jahren einen Hype um Vero, eine App, die ein "echtes soziales Netzwerk" versprach, das Facebook ähnlich sein sollte, aber ohne Werbung, ohne gekaufte Posts und mit einer edleren Optik. Dieser Hype war schnell vorbei und die Userinnen schnell wieder weg. Tiktok hingegen ist vom Hype zu einer halbwegs etablierten Social-Media-Plattform geworden. Konkurrent Snapchat hat immer wieder Probleme, versucht aber nun durch die Zusammenarbeit mit Influencern die Plattform zu sichern.

Die Zukunftsfähigkeit von Clubhouse wird davon abhängen, ob die App Geld verdienen kann und ob sie auch für professionelle Anwenderinnen interessant werden wird. Schon jetzt wirbt das Unternehmen bei Influencern um Unterstützung. Außerdem müssen die Userinnen und User natürlich auch bleiben wollen. Denn so spannend Clubhouse sein mag, es ist auch anstrengend. Ein passives Durch-den-Feed-Scrollen gibt es eben nicht, stattdessen muss man die ganze Zeit aktiv zuhören – wie bei einer langen Gesprächssendung im Radio oder bei einem Podcast. Ob Millionen Menschen ausgerechnet zu dem Zeitpunkt Lust dazu haben, an dem sie ohnehin langen Digitalkonferenzen aus dem Homeoffice zuhören müssen, ist unklar.

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