Der Grünenvorsitzende Robert Habeck hat die Pläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) deutlich kritisiert, die USA zu einer Zustimmung zum Bau von Nord Stream 2 zu bringen. "Dass sich das SPD-geführte Ministerium offenbar von den USA erpressen lässt, ist ein starkes Stück", sagte er ZEIT ONLINE. Das Prestigeprojekt von Russlands Präsident Wladimir Putin zu retten, indem Deutschland eine Milliarde Euro in Terminals für das Fracking-Gas von US-Präsident Donald Trump stecke – "das ist doppelt und dreifach falsch", sagte Habeck. Europäische Energiesouveränität sehe anders aus. "Diversifizierung und mehr Erneuerbare, das war das Ziel der EU. Dafür sollte die Milliarde in die Hand genommen werden, nicht für noch mehr Gas aus beiden Himmelsrichtungen", sagte Habeck.

Anfang August unterbreitete Scholz seinem US-Amtskollegen Steven Mnuchin nach Recherchen der ZEIT zunächst mündlich und später auch schriftlich den Vorschlag, den Bau zweier Spezialhäfen zum Import von Flüssiggas zu finanzieren. Über die Terminals in den Häfen Brunsbüttel und Wilhelmshaven wollen US-Firmen amerikanisches Gas nach Deutschland exportieren.

In dem schriftlichen Vorschlag, der am 7. August nach Washington ging, verspricht die Bundesregierung, "die öffentliche Unterstützung für die Konstruktion" der Terminals "massiv durch die Bereitstellung von bis zu 1 Milliarde Euro zu erhöhen". Im Gegenzug sollten die USA die ungehinderte Fertigstellung und den Betrieb von Nord Stream 2 erlauben.

Regierungssprecher will sich nicht zum Inhalt der Gespräche mit den USA äußern

Ein Regierungssprecher sagte ZEIT ONLINE dazu, die Bundesregierung habe sich immer dafür eingesetzt, dass beim Bezug von Gas möglichst viele verschiedene Versorgungswege und -quellen erschlossen werden. Insbesondere eine Versorgung mit liquified natural gas (LNG) könne einen Beitrag zu einer sicheren und wettbewerbsfähigen Energieversorgung innerhalb der Europäischen Union leisten. LNG könne außerdem dabei helfen, die nationalen, europäischen und im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbarten Klimaziele zu erreichen.

"Vor diesem Hintergrund ist im Koalitionsvertrag auch ein Ausbau der LNG-Infrastruktur in Deutschland vorgesehen", betonte der Sprecher. Zu den US-Sanktionen und den Sanktionsdrohungen bezüglich Nord Stream 2 stehe die Bundesregierung mit der US-Regierung in Kontakt. Zum Inhalt der vertraulichen Gespräche werde man sich aber nicht äußern.

Im Juli hatte die US-Regierung gedroht, am Bau von Nord Stream 2 beteiligte Unternehmen mit Strafen zu überziehen. Die US-Regierung fürchtet, dass Deutschland sich zu abhängig von russischen Erdgaslieferungen macht. Bereits der Vorgänger von US-Präsident Donald Trump, Barack Obama, war aus diesem Grund gegen die Errichtung von Nord Stream 2.

EU berät im September über Ostseepipeline

Am 24. und 25. September werden auch die EU-Staatschefs in Brüssel bei ihrem Gipfeltreffen über die Zukunft der Ostseepipeline beraten. Nach dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny Ende August hatten diverse Politiker der Unionsparteien einen Baustopp von Nord Stream 2 gefordert. Anderseits steht die Pipeline inzwischen kurz vor ihrer Fertigstellung.

Der Kreml warnte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach deren Rede zur Lage der Europäischen Union davor, Kritik an Russland mit der Zukunft der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 zu verknüpfen. "Was die erwähnte Gasleitung anbelangt, so sollte man wahrscheinlich damit aufhören, sie im Kontext irgendeiner Politisierung zu erwähnen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Staatsagentur Tass zufolge. Die Gasleitung sei ein kommerzielles Projekt, das im Interesse sowohl Russlands als auch der Länder der Europäischen Union sei, in erster Linie aber Deutschlands.

Von der Leyen kritisiert Russland

Von der Leyen hatte in ihrer Rede gesagt: "Denjenigen, die engere Beziehungen zu Russland fordern, sage ich: Die Vergiftung von Alexej Nawalny mit einem hoch entwickelten chemischen Kampfstoff ist kein Einzelfall." Das gleiche Muster habe man zuvor in Georgien und der Ukraine, in Syrien und Salisbury gesehen – und bei der Einmischung in Wahlen weltweit.

"Dieses Muster ändert sich nicht – und keine Pipeline wird daran etwas ändern", betonte von der Leyen. Peskow sagte dazu: "Wir widersprechen dieser Aussage kategorisch." Der Fall Nawalny müsse aufgeklärt werden. Dafür sei aber die Zusammenarbeit mit Deutschland notwendig, meinte der Kreml-Sprecher.